Funkfernbedienung? Zukunftsmusik! Als der BMW 3.0 CSL gebaut wurde, waren Selbstverständlichkeiten von heute entweder purer Luxus oder schlicht noch nicht erfunden. Unsere Begegnung mit dem intern E9 genannten Klassiker ist nicht nur vor dem Hintergrund unserer Ansreise mit dem BMW i8 eine Zeitreise, die mit dem Entriegeln der Fahrertür durch das Umdrehen eines konventionellen Schlüssels – mit Bart! – gerade erst beginnt.
Unmittelbar nach dem Öffnen der Tür ist der Blick auf zwei wuchtig ausgeformte Sportsitze frei, doch unsere Aufmerksamkeit wird in diesem Moment von einem einzigartigen Geruch in Beschlag genommen. Lange vor dem Motorstart atmen wir den Duft eines historischen Fahrzeugs, ein Klassiker wie er im Buche steht. Einen Startknopf gibt es hier ebenso wenig wie ein Automatikgetriebe, das komplett digitale Anzeigeinstrument des i8 oder gar das auch heute noch längst nicht flächendeckend erhältliche Head-Up-Display. Stattdessen: Vier Rundinstrumente mit weißen Kunststoff-Zeigern und ein echtes Zündschloss zum Starten des Motors!
Unmittelbar nach dem Drehen des zierlichen Schlüssels erwacht der Reihensechszylinder klangvoll zum Leben und benötigt zunächst einige Sekunden, ehe er sich auf eine konstante Leerlauf-Drehzahl eingependelt hat. Geräusche und Gerüche des Triebwerks dringen dabei ungewohnt ungefiltert nach außen und lassen weder Umstehende noch Insassen im Unklaren über die Arbeitsbereitschaft des Kraftpakets.
Der Gegensatz zum BMW i8 könnte dabei kaum extremer sein, denn der Plug-in-Hybrid erwacht per Startknopf und völlig lautlos zum Leben. Der Elektromotor in der Front genügt im Alltag völlig, erst bei sportlicherer Fahrweise erwacht der 1,5 Liter kleine und per Turbo-Aufladung auf 231 PS gebrachte Dreizylinder im Heck überhaupt zum Leben. Und auch dann bleibt er akustisch deutlich zurückhaltender als der Vergaser-Motor alter Schule, der 180 PS an die Hinterräder schickt.
Während sich der quer im Heck verbaute Dreizylinder des BMW i8 schüchtern unter diversen Abdeckungen versteckt, präsentiert der BMW 3.0 CSL seinen längs montierten Reihensechszylinder beinahe unverhüllt und stolz: Nachdem die Sicherungsstifte der vorn angeschlagenen Motorhaube entfernt wurden, ist das Kraftpaket zugänglich und kann von kundiger Hand ganz ohne elektronische Diagnosegeräte untersucht werden.
Noch bevor wir den BMW 3.0 CSL erstmals auf die engen Straßen rund um den Comer See ausführen können, setzt sich unsere Zeitreise beim Fahrerlebnis fort: Selbstverständlich fährt der 43 Jahre alte Sportwagen ohne Servolenkung, ohne Bremskraftunterstützung und ohne zahlreiche andere Helfer, die den Alltag heute dramatisch erleichtern. Die Ausfahrt aus dem Parkhaus ist folglich mit echter Arbeit verbunden, denn von einem per Zeigefinger drehbarem Lenkrad ist der CSL beim Rangieren denkbar weit entfernt.
Die nicht nur im Vergleich zum BMW i8 extrem übersichtliche Karosserie macht sich hier bereits bezahlt, denn an praktische Helfer wie die Park Distance Control oder gar eine Rückfahrkamera war 1972 noch lange nicht zu denken. Während man den i8 dank Surround-View-Kamera und elektronisch unterstützer Lenkung mühelos aus engen Parkhäusern manövriert, verlangt der Oldie schon hier Einsatz und Können.
Das eigentlich viel zu dünne Lenkrad mit seinen aus Leichtbau-Gründen gelochten Aluminium-Speichen liegt dabei erstaunlich gut in der Hand, auch die Sitzposition passt. Völlig ungewohnt sind hingegen die winzigen Außenspiegel, die sich lediglich mit einem Griff durch das per Kurbel geöffnete Fenster verstellen lassen – zumindest auf der linken Seite, denn der Außenspiegel auf der Beifahrerseite ist für den Fahrer permanent unerreichbar.
Vertrauter wird das Fahrverhalten mit zunehmender Geschwindigkeit, denn die Lenkung verlangt nun immer weniger Kraftaufwand. In Kombination mit dem jederzeit präsenten Klang des Sechszylinder-Motors und dem Automobilangebot der frühen 70er wird schnell klar, warum der BMW 3.0 CSL zu den besten Sportwagen seiner Zeit gehört und maßgeblich zum Markenversprechen von der Freude am Fahren beigetragen hat – nicht wenige Deutsche kauften 1972 noch einen VW Käfer als Neuwagen!
Wenige Meter hinter uns rollt der i8 lautlos und beinahe gelangweilt über die italienischen Landstraßen, durch das selbstverständlich elektrisch heruntergefahrene Fenster kann man auch im Flügeltürer mit Carbon-Fahrgastzelle den Klängen des Reihensechszylinders lauschen. Während der BMW 3.0 CSL unverwechselbar riecht, klingt und arbeitet, genießt der Fahrer im Plug-in-Hybrid hinter uns eine gemütliche Wochenend-Ausfahrt bei bestem Wetter.
Auf dem Weg zurück übernimmt der BMW i8 die Führung, schließlich hat nur er ein Navigationssystem verbaut und bringt uns zielsicher zurück ins Parkhaus. Wir erfreuen uns derweil am Reiz einer Zeit, die im direkten Vergleich deutlich mehr als vier Jahrzehnte vergangen zu sein scheint. Ohne jeden Zweifel haben moderne Autos wie der i8 zahllose Vorzüge, mit dem Charme eines spürbar lebendigen und in Würde gealterten Klassikers können die geradezu steril wirkenden Automobile unseres Jahrtausends aber nur ansatzweise mithalten.