Vier Jahre Pause vom Motorsport waren genug: Der Italiener Alessandro Zanardi feierte 2014 sein Comeback im Cockpit und zeigte, dass er auch während des Trainings für seine Weltmeister-Titel im Para-Cycling oder im Vorfeld seines Triathlon-Debüts auf Hawaii nichts von seiner Schnelligkeit am Lenkrad verloren hat.
Im Rahmen der Blancpain Sprint Series saß Alex Zanardi am Steuer eines BMW Z4 GT3, der in einigen Rennen mit einem speziellen Gold-Dekor auf die Erfolge des Italieners abseits der Rennstrecke aufmerksam machte. Außerdem ist Zanardi seit einigen Monaten offizieller Markenbotschafter von BMW und absolvierte in dieser Funktion zahlreiche Termine in aller Welt.
Alessandro, Anfang des Jahres sind Sie mit dem Rollout im italienischen Adria in ihre Comeback-Saison gestartet. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie die ersten Meter mit dem BMW Z4 GT3 und Ihre ersten Meter zurück im Motorsport gefahren sind?
Alessandro Zanardi: „Ich war sehr aufgeregt, wie immer, wenn ich mit etwas Neuem beginne. Nach der langen Pause seit dem Ende der Saison 2009 war es ein neues Abenteuer mit einem neuen Auto. Ich war zurück in einem BMW, einer Marke, die mich in meiner Rennsportkarriere schon seit langem begleitet hat. Ich war zurück bei ROAL Motorsport, einem Team, in dem ich viele Freunde habe und mit dem ich bereits in der Vergangenheit viele großartige Momente geteilt hatte. All das zusammen hat dies zu einem ganz besonderen Moment für mich gemacht. Ich saß in einem BMW Z4 GT3, einem großartigen Auto, das neu für mich war und das wesentlich leistungsstärker war als das Auto, mit dem ich zuvor gefahren war. Es hat sich großartig angefühlt, diese ersten Runden zu fahren.“
Was hat es für Sie bedeutet, nicht nur in den Rennsport zurückzukehren, sondern als BMW Werksfahrer zurückzukehren?
Zanardi: „Es macht mich stolz, von all meinen Partnern bei BMW als Sportler und als Botschafter geschätzt zu werden. So viel Begeisterung zu erleben, in einer neuen Meisterschaft zu starten, ein neues Abenteuer zu erleben, mich selbst wieder in der Rolle des Rennfahrers zu sehen – das hat es so besonders gemacht. Ich bin schon sehr lange eng mit BMW verbunden, und als es die Runde machte, dass ich wieder in den Rennanzug schlüpfen könnte, wurde mir unheimlich viel Begeisterung und Unterstützung entgegengebracht. Das war ein ganz besonderes Gefühl. Es hat dazu geführt, dass ich mich wieder wie ein Rennfahrer gefühlt habe. Das war wunderbar.“
Mit der Blancpain Sprint Series sind Sie nach Brands Hatch zurückgekehrt, an den Ort, an dem Sie Ihre paralympischen Gold- und Silbermedaillen gewonnen haben. Im Rennen haben Sie mit einer sensationellen Aufholjagd geglänzt und einen starken fünften Rang geholt. War das eines der Highlights Ihrer Rennsportsaison?
Zanardi: „Ja. In Brands Hatch waren alle Parameter perfekt. Obwohl ich nach einem Unfall im Qualifikationsrennen vom letzten Startplatz aus in das Hauptrennen starten musste, konnte ich am Ende einen sehr viel versprechenden fünften Platz holen. Wäre ich von etwas weiter vorn in das Rennen gestartet, wäre sicher noch ein besseres Ergebnis herausgekommen. Auch am Slovakia Ring hätten wir ein großartiges Resultat holen können, da bin ich sicher. Dort hat ein BMW das Rennen gewonnen – das BMW Sports Trophy Team Schubert, das von Platz 18 aus gestartet war. Im freien Training und im Qualifying waren ich und meine Teamkollegen von ROAL Motorsport die schnellsten BMW. Doch leider wurden wir im Rennen in der ersten Kurve in einen Unfall verwickelt. Doch das ist Motorsport. Deine einzige Option ist zu sagen: ‚Ich werde es noch einmal versuchen müssen‘.“
Außerhalb des Rennsports haben Sie in diesem Jahr an verschiedenen anderen wichtigen Sportveranstaltungen teilgenommen. In Greenville haben Sie zwei weitere Weltmeistertitel im Para-Cycling gewonnen. Es scheint Ihnen so leicht zu fallen – Sie gehen dorthin und gewinnen. Ist es wirklich so einfach?
Zanardi: „Nein, ganz im Gegenteil. Es ist alles andere als einfach – und das ist genau der Grund, warum es mir so großen Spaß macht. Es ist ein purer sportlicher, harter aber fairer Wettbewerb, den wir uns in einer Gruppe von Handbike-Fahrern liefern. Einer Gruppe, die inzwischen eng miteinander befreundet ist. Mein Hauptrivale Ernst van Dyk ist ein guter Freund von mir. Er ist ein geradliniger und fairer Sportler, und ich genieße es sehr, ihn zu treffen und Zeit mit ihm zu verbringen. Aber wenn es in die Rennen geht, dann kämpfen wir gegeneinander um jeden Zentimeter Straße. Zum Glück habe ich trotz meines Alters noch das nötige Leistungsvermögen, um mit den anderen um Siege kämpfen zu können. Unter diesem Gesichtspunkt war es eine sehr erfolgreiche Saison. Aber es war keine perfekte Saison – denn dazu hätte ich auch noch die Goldmedaille im Straßenrennen gewinnen müssen. In diesem Rennen wurde ich Zweiter hinter Ernst van Dyk. Aber ich werde im nächsten Jahr die Gelegenheit haben, es wieder zu versuchen.“
Im Oktober haben Sie erfolgreich Ihren ersten Langstrecken-Triathlon auf Hawaii absolviert. Ist Triathlon eine neue Leidenschaft für Sie geworden?
Zanardi: „Ja, zweifellos. Ich wusste, dass es mir Spaß machen würde. Es gibt viele Gemeinsamkeiten zu damals, als ich 1997 in Cleveland vom letzten Platz zum Sieg gefahren bin, oder als ich 1998 in Long Beach eine Runde Rückstand hatte und trotzdem gewonnen habe, oder zu Laguna Seca, wo ich auf Rang zwei lag und im Kampf um den Sieg alles riskiert und Brian Herta in der Corkscrew überholt habe. Es ist diese Leidenschaft, sich Herausforderungen zu stellen. Diese Leidenschaft, die ein Mann hat, der lieber einen Tag wie ein Löwe als hundert Tage wie ein Schaf lebt. Und so bin ich einfach: Ich wollte mich einem sportlichen Abenteuer wie dem Triathlon auf Hawaii stellen. Der beste Moment war, als ich aus dem Wasser kam, auf mein Handbike stieg und in Richtung Norden auf die Road 19 abgebogen bin. Ich wusste, dass 175 Kilometer mit dem Handbike und dann noch ein Marathon vor mir lagen. An diesem Punkt hätte ich angesichts dessen, was mich erwartet, verunsichert oder eingeschüchtert sein können. Aber ich habe einfach nur pures Glück in mir gespürt. Ich war an diesem Punkt so glücklich, weil ich wusste, dass es großen Spaß machen würde, alles noch vor mir und nicht hinter mir zu haben. Auch die letzten 300 Meter und der Zieleinlauf waren wunderbar. Ich hatte nicht erwartet, dass ich so angefeuert werde. Ich war überwältigt von der vielen Unterstützung, von den vielen Menschen, die meinen Namen gerufen haben. Einerseits war das fantastisch, doch andererseits war ich auch etwas traurig. Denn ich war im Ziel, es war vorbei. Nun muss ich im besten Fall ein Jahr warten, bis ich wieder ein solches Abenteuer erleben kann.“
Sie sind auch BMW Markenbotschafter und vertreten BMW bei vielen Gelegenheiten rund um den Globus. Dabei treffen Sie oft Ihre BMW „Kollegen“, zum Beispiel als Sie im August das BMW Werk in Spartanburg besucht haben. Fühlen Sie sich bei solchen Veranstaltungen wie ein Teil einer großen Familie?
Zanardi: „Es ist nicht nur das. Es ist viel mehr als das, und schwierig in Worten zu erklären. Niemand macht sich mehr große Gedanken darüber – und genau darum geht es. Es ist die Tatsache, dass die Leute mich als Alex sehen, als Alex Zanardi, BMW Markenbotschafter. Und sie sind alle sehr stolz darauf, mich als Markenbotschafter zu haben. Das ist das wirklich Fantastische daran. Denn es gab Zeiten, da war ich auch Alex Zanardi – aber ich hatte gerade meinen schweren Unfall hinter mir. Damals wussten die Leute nicht, wie sie auf mich zugehen und mit mir umgehen sollen. Für sie war das, was mir passiert ist, ein absolutes Desaster. Und so war es unvermeidlich, dass ich bei allen Menschen, die mich getroffen haben, eine gewisse Verlegenheit spüren konnte, weil sie nicht wussten, wie sie auf mich zugehen sollen. Das ist nun überhaupt nicht mehr der Fall. Die Leute gehen vollkommen normal mit mir um. Zudem hat es eine besondere Bedeutung für mich, BMW Markenbotschafter zu sein. Ein großartiges und weltweit anerkanntes Unternehmen wie BMW hat es doch eigentlich nicht unbedingt nötig, von jemandem repräsentiert zu werden – egal von wem. Aber sie haben Alex Zanardi ausgewählt, um ihre Marke zu vertreten. Und man kann es sehen wie man will, aber Alex Zanardi ist ein behinderter Mann. Halten Sie für einen Augenblick inne und denken Sie darüber nach: Ein großes Unternehmen wie BMW entscheidet sich dafür, sich von einem behinderten Mann repräsentieren zu lassen. Das ist wirklich etwas ganz Besonderes. Jedes Mal, wenn ich BMW Mitarbeiter treffe, spüre ich, dass sie sehr glücklich sind, mich bei sich zu haben. Und das ist unbezahlbar. Das macht mich sehr stolz, und ich fühle mich in dieser Familie sehr wohl.“
Die Rennen der Blancpain Sprint Series, verschiedene Para-Cycling-Veranstaltungen, der Triathlon und Ihre Auftritte als BMW Markenbotschafter – es war ein arbeitsreiches Jahr. Wie schaffen Sie es, all dies miteinander zu vereinbaren?
Zanardi: „Indem ich eines nach dem anderen mache, ganz einfach.“
Nun neigt sich das Jahr seinem Ende entgegen. Wie würden Sie 2014 aus sportlicher Sicht zusammenfassen?
Zanardi: „Natürlich ließe sich alles noch verbessern, aber insgesamt bin ich mit den Ergebnissen zufrieden. Zusammen mit BMW Motorsport und ROAL Motorsport haben wir uns als durchaus konkurrenzfähig erwiesen. Hätten wir etwas weniger Pech gehabt, hätten wir sehr gute Ergebnisse und auch einen Rennsieg holen können. Doch so ist es nun einmal im Leben. Manchmal hat man etwas verdient, bekommt es aber nicht. Das einzige, was man da tun kann, ist, es erneut zu versuchen. Gleiches gilt auch ein bisschen für meine Bilanz im Para-Cycling. Es war eine großartige Saison, aber ich weiß, dass mehr drin gewesen wäre. Deshalb werde ich es im nächsten Jahr wieder versuchen. Ich weiß, dass die Uhr tickt. Ich bin 48 Jahre alt und kann nicht bis in alle Ewigkeit Leistungssport betreiben. Aber ich gehe voller Begeisterung ins nächste Jahr, denn ich bin absolut davon überzeugt, dass ich trotz meines Alters sowohl im Para-Cycling als auch im Motorsport auf demselben hohen Niveau weitermachen kann.“