Was bei anderen Autobauern die normalste Sache der Welt ist, ist in der BMW-Welt seit Jahren Gegenstand heißer Diskussionen.-Nun steht der Marktstart unmittelbar bevor und wir durften uns für den ersten Fahrbericht einen Eindruck vom neuen BMW 2er Active Tourer machen – zugleich erster Fronttriebler und erster Van der Marke.
Was hier vor uns steht, ist folglich nicht weniger als eine Revolution für BMW – nie zuvor sind die Münchner derart deutlich von ihren früheren Idealen abgerückt, auch wenn der erste X5 im Jahr 1999 ähnlich misstrauisch begrüßt wurde. In München hofft man, dass auch der BMW 2er Active Tourer die Bedenken der Fans schnell beseitigen kann und hat sich alle Mühe gegeben, um mit der neuen Baureihe – trotz Frontantrieb – einen echten BMW auf die Räder zu stellen.
Zum ersten Kennenlernen haben wir uns den BMW 218d Active Tourer mit manuellem Getriebe geschnappt, denn genau so dürfte laut den Erwartungen der Münchner die meistverkaufte Variante in Deutschland aussehen. Angetrieben wird der BMW 218d F45 von der 150 PS starken Ausbaustufe des Vierzylinder-Diesel B47, der erst vor kurzem im BMW X3 Facelift seine Weltpremiere gefeiert hat.
Was dabei sofort auffällt, ist die für BMW-Verhältnisse ungewohnt hohe Sitzposition: Im Active Tourer sitzt man 11,6 Zentimeter höher als im 1er, selbst der aktuelle X1 bleibt mit der minimalen Sitzhöhe knapp drei Zentimter unter dem Neuling. Was Sportwagen-Fans als Nachteil empfinden, wissen immer mehr Menschen zu schätzen – die hohe Sitzposition ist schließlich eine der wichtigsten Ursachen für den anhaltenden Erfolg von SUV-Modellen, deren Offroad-Fähigkeiten kaum ein Kunde jemals nutzt.
Abgesehen von der hohen Sitzposition fühlen sich BMW-Fahrer allerdings sofort heimisch. Tacho, Drehzahlmesser und Lenkrad wirken äußerst vertraut, neben dem Lenkrad thront das 8,8 Zoll große und im Wettbewerbsumfeld konkurrenzlos gute Infotainment-Display, auf dem sich praktisch das komplette BMW ConnectedDrive-Angebot nutzen lässt – angefangen vom uneingeschränkten Internet-Zugang bis hin zum telefonischen Concierge-Service. Mit seiner hohen Auflösung, der hochwertigen Chrom-Umrandung und der intuitiven Bedienung per iDrive Touch-Controller setzt das System Maßstäbe unter den Kompakt-Vans und muss sich auch hinter so manchem Oberklasse-System anderer Hersteller keineswegs verstecken.
Weniger überzeugend fällt aus unserer Sicht das Head-Up Display aus, denn obwohl auf der kleinen Scheibe hinter dem Lenkrad zahlreiche Infos gestochen scharf angezeigt werden können, lässt sich der Vorteil für den Fahrer nicht mit dem “echten” HUD vergleichen, wie es ab der 3er-Reihe zum Einsatz kommt. Im Vergleich mit der aufwändigeren und deutlich mehr Bauraum fordernden Lösung befindet das auch im MINI F56 verbaute Scheiben-HUD schon deshalb im Nachteil, weil der Blick des Fahrers deutlich weiter abgesenkt werden muss.
Andererseits: Kein Wettbewerber bietet eine ähnliche oder gar eine bessere Lösung an, weshalb das weniger überzeugende HUD kaum als echter Nachteil bezeichnet werden kann. Immerhin muss sich das Auge beim Fokussieren weniger stark umstellen als beim Blick auf die konventionellen Rundinstrumente, gewisse Vorteile bietet das HUD also durchaus.
Keinen Anlass zur Kritik liefern Materialien und Verarbeitung, hier befindet sich der BMW 2er Active Tourer ohne Zweifel auf dem Niveau, das man von einem Premium-Automobil erwarten darf. Farbige Kontrastnähte, haptisch angenehme und ergonomisch platzierte Bedienelemente, die zahlreichen Ablage-Möglichkeiten und clevere Details wie der umklappbare Beifahrersitz – leider nicht in Kombination mit Sportsitzen oder elektrischer Sitzverstellung – dürften im Alltag eine angenehme Rolle spielen.
Beeindruckend ist, wie geräumig der BMW 2er Active Tourer trotz seiner kompakten Abmessungen ist. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Reihe genießen selbst Großgewachsene angenehm viel Bein- und Kopffreiheit. So bleibt unterm Strich der Eindruck eines hochwertigen Innenraums mit echtem Premium-Flair und moderner Technik. Dass sich BMW diese Vorzüge auch bezahlen lässt, versteht sich von selbst.
Doch kommen wir zu dem, was den BMW 2er Active Tourer zu einem derart kontrovers diskutierten Modell macht. Zugegeben, die ersten Meter am Lenkrad eines BMW mit Frontantrieb sind ungewohnt. Die Frage, ob ein solches Fahrzeug wirklich zur Marke passt, schwingt bei langjährigen Begleitern der BMW-Entwicklung unvermeidlich mit.
Wer im Active Tourer einen Sportwagen vermutet, dürfte das Fahrzeug kaum mit einem breiten Grinsen bewegen. Physikalische Gesetze gelten selbstverständlich auch für BMW und es steht außer Frage, dass ein Fronttriebler diverse fahrdynamische Nachteile besitzt. Allerdings: Wer mit offenen Augen unterwegs ist, kann sich positiven Beispielen für durchaus dynamische Fronttriebler kaum verschließen und muss außerdem akzeptieren, dass die angetriebene Achse für einen Großteil der Autofahrer schlicht keine relevante Rolle spielt. Jahr für Jahr werden Millionen Autos mit Frontantrieb verkauft und von Kunden geschätzt, auch aus dem Angebot der wichtigsten BMW-Wettbewerber Audi und Mercedes sind Fronttriebler nicht wegzudenken.
Am Steuer des BMW 218d Active Tourer stehen dann auch ganz andere Dinge als die Möglichkeit zum Driften im Fokus. Sehr angenehm fallen die hervorragende Akustik und der gute Abrollkomfort auf, vom kräftigen Selbstzünder unter der Haube ist auch unter Last kein unangenehmer Sound vernehmbar. Legt man es nicht darauf an, bleibt der Frontantrieb im Alltag unbemerkt und ohne Nachteile – bei vehementem Gaseinsatz und gleichzeitig eingeschlagenen Vorderrädern lässt sich die Physik aber erwartungsgemäß nicht austricksen.
Der Grenzbereich liegt dennoch höher, als es die meisten Familienväter mit Frau und Kindern an Bord jemals benötigen werden. Der Active Tourer lenkt unabhängig von der Einstellung seiner adaptiven Dämpfer agil ein und tendiert erst bei hohen Kurvengeschwindigkeiten zum Untersteuern, Fahrspaß lässt sich an Bord des Vans also durchaus erleben. Die Vorderräder vermitteln dabei ein gutes Feedback vom Asphalt und kündigen den Grenzbereich frühzeitig an, was manchen Fahrer auf kurvigen Straßen zur Suche nach selbigem motivieren könnte.
Ab einer Drehzahl von etwa 1800 U/min liefert der Diesel eine mehr als ausreichende Beschleunigung, das Getriebe lässt sich gewohnt-knackig schalten und dürfte BMW-Fahrern sehr vertraut erscheinen. Insgesamt hinterlässt der Antriebsstrang des 218d einen sehr harmonischen Eindruck, der bestens zum Konzept des Kompakt-Vans passt. Noch mehr Leistung bieten 225i und 220d, hier gibt es bis zu 231 PS. Auf Wunsch stehen außerdem ein Achtgang-Automatikgetriebe (außer 218i) sowie der Allradantrieb xDrive für ausgewählte Modelle zur Wahl.
Wer allerdings in erster Linie nach einem Sportwagen mit etwas mehr Platz sucht, sollte weiterhin zum BMW 3er Touring oder 3er GT greifen. Auch wenn aus unserer Sicht unstrittig ist, dass sich kaum ein Kunde an den bestens kaschierten Nachteilen des Antriebskonzepts stört, bieten die klassisch-heckgetriebenen Modelle mit ihrer ausgeglichenen Gewichtsverteilung und der Option zum sanften Mitlenken per Gaspedal dynamischen Fahrern Vorteile, die kein Fronttriebler der Welt in petto hat. Ob dieser Umstand für den typischen F45-Kunden irgendeine Relevanz besitzt, darf allerdings mit einem großen Fragezeichen versehen werden.
Dass es sich beim BMW 2er Active Tourer um ein Erstlingswerk und die ersten Gehversuche der Münchner in einem für sie neuen Segment handelt, merkt man jedenfalls an keiner Stelle. Mit dem Van erschließt BMW eine Zielgruppe, die bei der Marke bisher kein zu ihren Wünschen passendes Fahrzeug gefunden hat und wohl oder übel zur Konkurrenz gehen musste. Mit Blick auf die auch in dynamischer Hinsicht erreichte Performance, das moderne und sehr flexibel nutzbare Interieur sowie die gute Verarbeitung spricht der neue 2er Active Tourer außerdem auch Kunden an, die bisher andere BMW-Modelle gefahren sind.
BMW 2er Active Tourer mit Sport Line – Innenraum-Fotos: