Für viele Kunden macht die Akustik einen wesentlichen Teil der Faszination eines Sportwagens aus, eine dementsprechend große Rolle spielt die Abstimmung des Sounds auch für die Entwickler des Fahrzeugs. Während der BMW M3 in seinen ersten vier Generationen stets auf hochdrehende Saugmotoren mit vier, sechs oder acht Zylindern gesetzt hat, beschreitet die fünfte Generation neue Wege.
Welchen Herausforderungen die Sound-Designer rund um Rainer Drees begegnet sind und mit welchen Mitteln sie am finalen Sound des Reihensechszylinder-Turbomotors S55 gefeilt haben, klärt das ausführliche Gespräch von M-Power.com:
Herr Drees, worin besteht Ihre Aufgabe?
Rainer Drees: Ich bin für die Akustik der M Automobile zuständig – also alles, was der Fahrer hört und die Umwelt wahrnimmt.
Unter anderem muss ich mich darum kümmern, dass unsere M Automobile authentisch und charakterstark klingen und wir die weltweit geltenden, unterschiedlichen Außengeräuschvorschriften erfüllen. Dazu zählt insbesondere die Entwicklung der Abgasanlagen.
Lassen Sie uns über den Sound und die Abgasanlage des neuen BMW M3 und BMW M4 reden. Wie soll ein M Automobil klingen? Was bedeutet das für den Sound des neuen BMW M3 und BMW M4?
Wichtig für ein M Automobil ist der eindeutige Wiedererkennungswert. Mit seinem charakterstarken Sound differenziert es sich von einem BMW AG Modell oder einem Mitbewerbermodell mit ähnlichem Motorkonzept. Aber auch von einem BMW M5 oder BMW M6 unterscheidet sich der Sound eines BMW M3 und BMW M4. Ziel war hier ein am Rennsport angelehnter puristischer, feinnerviger Motorsound.
Der Fahrer eines BMW M3 oder BMW M4 erwartet einen besonders sportlichen Klang im Innen- und Außenbereich. Dabei gilt es aber stets, den besten Kompromiss zwischen Emotion und Alltagstauglichkeit zu finden. Ein Sound, den man über 20 km Fahrstrecke liebt, kann einem nach 200 km den letzten Nerv rauben.
Was prägt den Sound eines Saugmotors, wie er bislang im jetzt abgelösten BMW M3 zum Einsatz kam?
Ein Saugmotor hat zur Ansaugseite und zur Abgasseite hin relativ freie Wege. Das Geräusch, das der Fahrer als akustisches Lastfeedback im Fahrzeuginnenraum wahrnimmt, stammt zum kleinen Teil von der Körperschallübertragung direkt vom Motor – zum größeren Teil jedoch von der Luftschallübertragung direkt vom Ansaugtrakt, die allerdings durch eine lange Ansaugstrecke und den Luftfilter gedämpft wird. Diese Dämpfung kann man bei einem Saugmotor nochmals verringern, indem man eine Airbox mit großer Klappe einsetzt und so die Ansaugung akustisch entdrosselt – wie beispielsweise im BMW M3 CSL geschehen. Der resultierende akustische Effekt ist sehr positiv.
Ähnlich verhält es sich auf der Abgasseite des Saugmotors. Nur die Länge des Abgasstrangs und die Schalldämpfer reduzieren das vom Motor kommende Verbrennungsgeräusch.
Ein Saugmotor bietet ein sehr breitbandiges Frequenzspektrum, das für die Akustikentwicklung genutzt werden kann. Ein großer Drehzahlbereich, viele Zylinder und großer Hubraum wirken sich zusätzlich positiv auf dieses zur Verfügung stehende Grundspektrum aus.
Was unterscheidet den Sound eines Turbomotors von dem eines Saugers? Warum ist das so?
Die Soundentwicklung bei einem Turbomotor stellt den Akustiker tatsächlich vor große Herausforderungen. Im Ansaug- und Abgastrakt wirkt jeweils ein Schaufelrad des Turboladers als Barriere für die Ansaug- bzw. Verbrennungsgeräusche.
Der Luftschall über die Ansaugung fällt praktisch weg. Das macht sich unmittelbar im Fahrzeuginnenraum bemerkbar. Nur die schwach ausgeprägte Körperschallübertragung bleibt erhalten.
Zur Abgasseite hin verhält es sich ähnlich: Sämtliche Verbrennungsabgase, die durch die Abgasturbine strömen, werden akustisch extrem gedämpft. Nur jene Abgasströme, die nicht für den Lader benötigt werden und über das Wastegate am Turbolader vorbei geführt werden, ermöglichen noch etwas an verwertbarer Verbrennungsakustik. Für das hervorragende Ansprechverhalten des M TwinPower Turbo Reihen-6-Zylinder Triebwerks im neuen BMW M3 und BMW M4 werden jedoch genau jene soundrelevanten Abgasströme weiter reduziert.
Das klingt alles ziemlich kompliziert…
Vielleicht wird die Thematik an einem Vergleich deutlich: Man stelle sich einen Saal (Motorraum) vor, in dem ein Orchester (Motor) mit vielen unterschiedlichen Instrumenten spielt. Es spielen Instrumente, die tiefe wie hohe Frequenzen erzeugen – also eine durchweg gute Bandbreite bzw. ein breites Spektrum.
Daneben ist ein zweiter abgetrennter Saal (Fahrgastzelle), der mit unterschiedlich großen Türen (Karosserie, Ansaugtrakt, Abgasanlage) mit dem ersten Saal verbunden ist. Bei einem Saugmotor sind viele bzw. die meisten dieser Türen geöffnet, so dass ich (als Fahrer) im Nebenraum noch sehr viel von der erzeugten Akustik wahrnehmen kann.
Bei einem Turbomotor muss man sich jetzt die meisten dieser Türen verschlossen vorstellen. Man hört zwar etwas – also vielleicht den Grundcharakter der gespielten Musik (Verbrennung) – aber eigentlich nur noch den tieffrequenten Anteil. Große Teile des Frequenzspektrums gehen also durch den Turbo verloren.
Um dieses Problem zu kompensieren, ergreift jeder Hersteller gezielte Maßnahmen. Wir nutzen beim neuen BMW M3 und BMW M4 modernste Technologien.
Das heißt?
Seitdem es Turbomotoren gibt, versucht man auf unterschiedliche Weise, etwas von der verlorenen Motorakustik zurück in das Fahrzeuginnere zu bekommen. Diese ist bei Sportmotoren nicht nur emotional relevant, sondern auch, wie wir gleich sehen werden, eine wichtige Komponente der Rückmeldung an den Fahrer.
Am Anfang der Entwicklung standen mechanische Systeme. Dabei wurde an der Motorhochdruckseite hinter dem Turbolader das Fahrzeuginnere über eine Membrane angekoppelt. Diese Systeme funktionieren schon recht gut. Der akustische Verlauf entspricht dabei jedoch eher dem Drehmomentverlauf des Motors.
Der sportliche Fahrer wünscht sich jedoch – ähnlich wie bei einem Saugmotor – den akustischen Verlauf abhängig von der abgerufenen Leistung. Daher wurden nach den mechanischen Systemen die ersten elektrischen Soundsysteme entwickelt, wie sie bei vielen Mitbewerbern zum Einsatz kommen. Dabei werden sogenannte Shaker an der Karosserie verschraubt. Shaker sind mechanische Aktoren, mit denen man die Karosserie (z. B. A-Säule) in Schwingungen versetzt. Diese Schwingungen werden dann im Fahrzeuginneren wahrgenommen.
Beim neuen BMW M3 und M4 nutzen wir inzwischen ein intelligenteres System. Wir verwenden dabei eine Technologie, die uns gezielt die Möglichkeit gibt, dem Fahrer die eigentlich vorhandene – jedoch vom Turbo gedämpfte – Akustik wieder zugänglich zu machen. Dies dann aber gezielt nur in den Bereichen, in denen sie zu sehr gedämpft wird, jedoch vom Fahrer bei sportlicher Fahrweise gewünscht und benötigt wird.
Mit dieser Vorgehensweise können wir dem Fahrer einen sehr präzisen Eindruck vom jeweiligen Lastzustand des Motors vermitteln. Der Fahrer ist damit – ähnlich wie er es von Saugmotoren kennt – in der Lage, nach Gehör zu fahren und kann nach einer gewissen Einprägzeit über dieses Drehzahl-/Lastfeedback zu den gewünschten Drehzahlpunkten schalten, ohne dabei auf den Drehzahlmesser zu sehen. Das ist auch deshalb wichtig, weil Turbomotoren zwar ein breites Drehmomentplateau bieten, das aber recht abrupt einbricht, wenn die Drehzahlen dann doch zu niedrig oder zu hoch werden.
Um es mit dem Orchester-Vergleich zu erklären: Wir öffnen gezielt Türen, um die Akustik an den Zuhörer zu bringen.
Was prägt die Abgasanlage des neuen BMW M3 und BWM M4?
Optimale Leistungsentwicklung erfordert einen möglichst geringen Abgasgegendruck. Und im Lastenheft stand auch eine deutliche Gewichtsreduzierung im Vergleich zur Anlage des Vorgängers. Entstanden ist eine Abgasanlage, die deutlich von den herkömmlichen Konstruktions- und Funktionskonzepten abweicht, die wir bisher umgesetzt haben.
Dafür haben wir erstmals den Nachschalldämpfer so konstruiert, dass wir in der zweiflutigen Abgasanlage vor dem Schalldämpfer Platz für zwei elektrisch verstellbare Abgasklappen haben.
Bei geschlossenen Abgasklappen verzweigen wir jeweils vor den Klappen in eine Reflexionskammer des Nachschalldämpfers. Würden wir den Abgasstrom nun zur notwendigen Dämpfung von einer Reflexionskammer in die nächste Reflexionskammer usw. leiten, führte dies zu hohem unerwünschten Abgasgegendruck.
Wir lösen das intelligenter: Von der Reflexionskammer führen wir den Abgasstrom einmal quer durch den Nachschalldämpfer zu den gegenüberliegenden Endrohren. Die Dämpfung erfolgt also hauptsächlich durch eine künstliche Verlängerung der Abgasrohrlänge mit gleichzeitiger Absorption.
Die Abgasanlage ist zudem noch mit einem kleinen Mittelschalldämpfer ausgerüstet, der – mit gleichzeitiger Absorptionsdämpfung – ein Übersprechen zwischen den beiden Abgassträngen ermöglicht.
Bei geöffneten Abgasklappen haben wir somit kaum Dämpfung, sondern den direkten Austritt des Abgasstroms durch die Endrohre.
Mit dieser Abgasanlage können wir einen für die motorsportlichen Qualitäten des neuen BMW M3 und BMW M4 entsprechenden Außensound umsetzen – bei jeweils leistungsförderndem minimalem Abgasgegendruck. Dabei werden stets alle vier Endrohre durchströmt.
Wie variiert der Sound – abhängig von welchen Kriterien? Zum Beispiel durch das Öffnen und Schließen der Abgasklappen?
In der Außenwahrnehmung unterscheidet sich der Sound zwischen geschlossenen und geöffneten Abgasklappen recht deutlich. Zur Steuerung nutzen wir daher Kennfelder, mit denen wir die Abgasklappen abhängig von verschiedenen Drehzahl- und Lastbedingungen sowie dem zuvor eingestellten Fahrmodus entsprechend öffnen und schließen können.
Stellt man z. B. den Fahrmodus „KOMFORT“ ein, dann sind die Abgasklappen in den unteren Drehzahlbereichen komplett geschlossen. Wenn eine erhöhte Lastanforderung erfolgt, öffnen sie im oberen Drehzahlbereich. Bei Konstantfahrt bleiben die Klappen im Fahrmodus „KOMFORT“ meist geschlossen, um eine maximale Alltagstauglichkeit auch auf Langstrecken zu erreichen.
Im Fahrmodus „SPORT“ und „SPORT PLUS“ werden andere Kennfelder zur Abgasklappensteuerung angewählt. In den unteren Gängen sind hier die Abgasklappen immer geöffnet. In den oberen Gängen bleiben sie bei Konstantfahrt geschlossen, öffnen sich jedoch blitzschnell bei entsprechender Lastanforderung. Es gibt auch Bereiche im unteren Drehzahlbereich der oberen Gänge, in denen wir die Klappen schließen. In diesen Drehzahlbereichen, die im Automatikmodus des M DKG Drivelogic gerne angewählt werden, wenn möglichst effizient gefahren werden soll, würde der Abgasstrang von Turbomotoren ohne Dämpfung zum Dröhnen neigen.
Durch diese spezielle Klappensteuerung können wir den Abgasgegendruck stets extrem niedrig halten. Wir erhalten einen markanten und unverkennbaren M Sound über den gesamten Drehzahlbereich sowie für eine präzise Rückmeldung des Lastzustandes. Der Fahrer wählt über den ausgewählten Fahrmodus ein in sich stimmiges Setup, das auch die Soundrückmeldung des Motors umfasst.
Warum ist der Sound direkt nach dem Kaltstart so speziell?
Nach dem Erststart sind der Motor und das Abgasnachbehandlungssystem noch kalt. Um die aktuelle Abgasnorm zu erfüllen, muss das Abgasnachbehandlungssystem in extrem kurzer Zeit auf Arbeitstemperatur gebracht werden. Wir erzeugen deshalb kurzfristig sehr heiße Abgastemperaturen.
Wie unterscheidet sich der von BMW M Performance Zubehör für den neuen BMW M3 und BMW M4 angebotene Endschalldämpfer von der Serienanlage?
Bestandteile der konzeptionell ähnlichen BMW M Performance Zubehör Anlage sind aus Titan gefertigt, dessen Materialeigenschaften neben dem geringeren Gewicht auch akustische Vorteile bieten.