Seit der Vorstellung der ersten Studie vor etwas mehr als zwei Jahren wurde extrem viel über den BMW i3 geredet und diskutiert – allein auf BimmerToday summieren sich die Kommentare unter Artikeln zum i3 auf über 1.400 Leser-Meinungen und -Beiträge. Zu sagen, dass das Interesse am ersten in Großserie gebauten Elektroauto von BMW enorm ist, ist vor diesem Hintergrund fast eine Untertreibung.
Noch vor wenigen Monaten zweifelte so mancher daran, ob der BMW i3 wirklich mit der versprochenen Technik und zum angekündigten Zeitpunkt in Serie gehen würde – zu ambitioniert erschien das Gesamtprojekt, das beinahe alle Konventionen von über 100 Jahren Automobilbaugeschichte hinter sich lässt und bisher einigen wenigen Supersportlern vorbehaltene Techniken in ein Auto mit weniger als vier Meter Länge packt. Herausragendes Merkmal ist die komplett aus Carbon gefertigte Fahrgastzelle, die nicht nur einen beispielhaften Insassenschutz verspricht, sondern auch entscheidend zu einem sehr niedrigen Gewicht von unter 1,2 Tonnen beiträgt.
Wenige Wochen vor dem Marktstart im November durften wir uns in und um Amsterdam erstmal ans Steuer des BMW i3 begeben und dem Stromer ganz praktisch auf den Zahl fühlen, schließlich ist für viele unserer Leser vor allem eine Frage von Bedeutung: Wie fährt sich dieses Auto, dass anders aussieht als jeder andere BMW und von der Tagesschau als “zweite Revolution im Automobilbau” gefeiert wurde? Welche Kompromisse verlangt der i3, welche Abstriche müssen gemacht werden und in welchen Punkten kann der i3 die hohen Erwartungen vielleicht nicht erfüllen?
Sicher ist: Wer sich dem BMW i3 erstmals nähert, muss neuen Wegen und Lösungen aufgeschlossen gegenüberstehen. Das beginnt beim Einstieg durch die gegenläufig öffnenden Türen und hört bei der erhöhten Sitzposition sowie den natürlich beschaffenen Materialien im Innenraum noch lange nicht auf. Überraschend ist beim Erstkontakt auch das Raumangebot, das gemessen an den Abmessungen speziell im Fond unerwartet großzügig ausfällt.
Nach dem Einsteigen sucht der BMW-Fahrer intuitiv nach dem Startknopf – und wird schließlich an einem zunächst gewöhnungsbedürftig anmutenden Bedienelement fündig, das rechts hinter dem Lenkrad aus der Lenksäule sprießt. Da der BMW i3 serienmäßig mit Automatik-Getriebe ausgerüstet ist, hat man allerdings nur selten Kontakt mit dem Hebel, der zum Starten und Stoppen des Motors sowie zum Wählen der Fahrtrichtung dient. Der Druck auf den Startknopf erweckt die beiden großen Displays im Innenraum zum Leben, ein READY-Schriftzug informiert über die Arbeitsbereitschaft des Stromers.
Ein sanfter Tritt aufs “Gaspedal” – korrekt ist natürlich die Bezeichnung “Fahrpedal” – lässt den i3 lautlos und entsprechend unspektakulär losrollen. Merkwürdig wird es, wenn man den rechten Fuß wieder vom Pedal hebt: Anstatt wie von konventionell angetrieben Fahrzeugen gewohnt weitgehend ungebremst weiterzurollen, verzögert der BMW i3 deutlich spürbar. Der Bremseffekt ist so stark, dass man im Alltag fast nie das Bremspedal benötigt und zur Sicherheit des nachfolgenden Verkehrs auch ohne Druck auf die Bremse die Bremslichter aktiviert werden. Für Kenner von MINI E und BMW ActiveE sei gesagt, dass die Bremswirkung etwas sanfter und weniger stark als bei diesen Versuchsträgern, mit denen die BMW Group über 32 Millionen Forschungs-Kilometer zurückgelegt hat, einsetzt.
Und wozu das ungewohnte One-Pedal-Feeling? Die Ursache liegt auf der Hand: Beim konventionellen Bremsen mit Hilfe der Bremsscheiben wird die vorhandene Energie in Wärme umgewandelt und somit unbrauchbar. Beim BMW i3 wird – wie bei praktisch allen anderen Elektroautos auch – hingegen der Elektromotor im Heck als Generator genutzt, um die Batterie wieder aufzuladen. Diese Rekuperation sorgt für den Bremseffekt und vermeidet eine sinnlose Umwandlung der Energie in Wärme.
Nicht unerheblich für BMW-Fahrer ist natürlich die Frage, was bei einem stärkeren Tritt aufs Fahrpedal passiert. Das Resultat ist allerdings überraschend unspektakulär: Bedingt durch die völlig “fehlende” akustische Untermalung – der Motor des BMW i3 ist selbst bei “Vollgas” kaum wahrzunehmen – merkt man lediglich durch den Druck der bequem gepolsterten Leichtbau-Lehne am Rücken, dass man gerade auf dem Niveau eines VW Golf GTI von der Ampel wegzieht. Traktionsprobleme konnten wir selbst auf nasser Fahrbahn nicht feststellen, was an einer künstlichen Limitierung der Motorleistung bei niedrigen Geschwindigkeiten liegen dürfte.
Wirklich beeindruckend fällt der Wendekreis aus: Der i3 braucht weniger als zehn Meter Platz für eine komplette Drehung und präsentiert sich daher im Stadtverkehr ausgesprochen wendig und agil. Enge Parkhäuser oder spontane Wendemanöver auf mehrspurigen Straßen sind ohne Probleme zu meistern. Dank der leicht erhöhten Sitzposition, der großen Fensterflächen und der teilweise durchsichtigen C-Säule hat man im i3 eine vorbildliche Rundumsicht, auch wenn sich das vordere Ende des Fahrzeugs nicht erkennen lässt.
Doch nicht nur die griechische Mythologie weiß, dass jede Schöpfung ihre verwundbare Stelle hat. Die Achillesverse des BMW i3 ist ohne Frage seine Reichweite: Auf unserer Testfahrt – zugegebenermaßen mit einigen Zwischensprints und ein paar Runden auf dem Fahrertrainings-Parcours der BMW Driving Academy Zandvoort – stand nach 98 Kilometern Fahrstrecke eine Rest-Reichweite von 10 Kilometern im Display. Sicher, im Alltag dürften die meisten Kunden bewusster und energiesparender unterwegs sein, bei wirklich scharfer Gangart liegt aber selbst ein 100 Kilometer entferntes Ziel außer Reichweite. Anzumerken ist, dass wir das Fahrzeug mit einer Rest-Reichweite von 134 Kilometern und nicht randvoll geladener Batterie übernommen haben.
Darüber, welche Ziele noch erreichbar sind, informiert den Fahrer eine sogenannte Reichweiten-Spinne im Navigationssystem. Der leider nur in der 2D-Ansicht verfügbare Karten-Overlay zieht nicht nur einen Kreis rund um den aktuellen Standort, sondern berücksichtigt auch die befahrenen Straßen und die aktuelle Verkehrslage, weshalb das Spinnennetz ein durchaus realistisches Bild liefern dürfte und sich je nach Fahrtrichtung unterschiedlich weit vom Fahrzeug-Standort entfernt.
In einer Stadt wie Amsterdam mit über 700 Ladestationen für Elektroautos lässt sich selbst bei einer Rest-Reichweite von 10 Kilometern noch problemlos eine Strom-Tankstelle finden, anderenorts dürfte sich die Suche im Zweifel schwieriger gestalten. Da die meisten i3-Kunden nicht mehr als 50 Kilometer pro Tag zurücklegen, wird die Organisation des Aufladens aber oft keine größere Herausforderung darstellen. In Amsterdam parken schon heute selbst exotische Fahrzeuge wie ein Fisker Karma ganz selbstverständlich mit angeschlossenem Ladekabel am Straßenrand:
Wenn der BMW i3 aufgeladen werden soll, muss der Fahrer nach dem vom Navigationssystem tatkräftig unterstützen Auffinden einer Ladesäule nur wenige Handgriffe erledigen. Im Fach unter der “Motorhaube” vorn verbergen sich die Ladekabel, mit denen sich der BMW i3 an eine Schnellladestation oder eine gewöhnliche Haus-Steckdose anschließen lässt. Das Kabel wird durch einfaches Einstecken an Ladesäule und Fahrzeug befestigt, bei verriegeltem Fahrzeug lässt sich das Kabel an beiden Seiten nicht abziehen.
Bezahlt werden kann der getankte Strom mit der BMW ChargeNow-Karte, die in den Niederlanden von 100 Prozent aller Ladesäulen akzeptiert wird. In Deutschland ist die Mehrheit der Ladesäulen ebenfalls schon heute mit der ChargeNow-Karte nutzbar, der prozentuale Anteile soll in den nächsten Monaten noch auf weit über die derzeit realisierten 65 Prozent steigen. Ob ein i3-Fahrer an einer Ladesäule mit ChargeNow bezahlen kann, lässt sich am Ladesäulen-Symbol auf dem Navigationssystem erkennen.
Bei erfolgreicher Verbindung sieht der Fahrer im Display, zu welcher Uhrzeit sein Fahrzeug wieder voll geladen ist. Wenn die Fahrzeugelektronik eine aktive Verbindung mit einer Ladesäule erkennt, verhindert sie automatisch den Fahrtantritt – es ist also nicht möglich, aus Versehen mit eingestecktem Ladekabel loszufahren. Je nach Strom-Anschluss dauert ein kompletter Ladevorgang von 0 auf 100 Prozent zwischen drei und fünf Stunden, mit einer 50 kW Schnelllade-Säule kann die Batterie in unter 30 Minuten auf 80 Prozent gebracht werden.
Im europäischen Normzyklus weist der BMW i3 einen Verbrauch von 0,13 Kilowattstunden pro Kilometer auf, auf unserer Testfahrt standen 16 kWh pro 100 Kilometer im Display. Je nach Fahrweise und Strompreis werden für 100 Kilometer mit dem BMW i3 folglich zwischen drei und vier Euro fällig.
Wie sich der BMW i3 fahrdynamisch schlägt, klären wir im zweiten Teil unseres Fahrberichts.