Dass Autos im grauen Alltag mehr verbrauchen, als im bunten Katalog versprochen wird, hat sich seit Jahren herumgesprochen. Je nach Fahrer und Fahrzeug kann die Differenz zwischen angegebenem Verbrauch und dem realen Spritdurst des Autos erheblich sein – das war früher so und es wird auch in Zukunft so bleiben.
Allerdings hat sich das Problem in der jüngeren Vergangenheit offenbar deutlich verschärft, denn die Abweichungen zwischen Norm- und Praxis-Verbrauch werden laut einer aktuellen Studie des International Council of Clean Transportation (ICCT) von Jahr zu Jahr größer. Einer der Gründe dafür dürfte die neue Berechnung der Kfz-Steuer in einigen EU-Ländern sein, denn der CO2-Ausstoß – gemessen im EU-Zyklus – fließt nun häufig direkt mit ein. Dieser Umstand macht eine niedrige Normverbrauchsangabe aus Sicht der Hersteller gleich doppelt interessant, denn neben niedrigen laufenden Kosten versprechen die Prüfstands-Werte auch weniger Steuerlast.
Mit der Hilfe von praxisbezogenen Verbrauchs-Datenbanken wie spritmonitor.de oder honestjohn.co.uk hat der ICCT nun die Studie “From Laboratory to Road” veröffentlicht und darin die Abweichungen zwischen Normverbrauch und Praxis-Verbrauch umfangreich miteinander verglichen. Interessant ist dabei, dass die prozentuale Abweichung in den Jahren seit 2008 deutlich zugenommen hat – was kaum an einer flächendeckend sportlicheren Fahrweise liegen dürfte.
Besonders groß fällt die Diskrepanz bei den Marken BMW, Audi und Mercedes-Benz aus, was allerdings zum Teil auch darin begründet liegt, dass das Fahrverhalten bei Fahrern dieser Marken im Durchschnitt stärker vom Normzyklus abweicht als bei Fahrern anderer Marken. Laut ICCT sollte man daher nur zusammengehörige beziehungsweise ähnliche Marken miteinander vergleichen und nicht nur auf die absolute Abweichung vom Normverbrauch achten.
Verantwortlich für die wachsende Abweichung der Verbrauchswerte ist auch die flächendeckende Einführung von Systemen wie der Auto-Start-Stopp-Funktion, die im EU-Zyklus einen deutlich größeren Einfluss haben als im Alltag der meisten Autofahrer. Andererseits stellt der ICCT aber auch fest, dass die verstärkte Nutzung von Komfort- und Assistenzsystemen zum höheren Verbrauch in der Praxis beiträgt. Feststellen lässt sich auch, dass die Abweichungen bei Fahrzeugen mit Diesel-Motor und bei Autos mit Automatik-Getriebe tendenziell größer ausfallen als bei Fahrzeugen mit Ottomotor und / oder manuellem Getriebe.
So kommt es, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoß aller in Deutschland neu zugelassenen Autos zwischen 2001 und 2011 laut EU-Zyklus von 180 auf 146 Gramm gesunken ist, während sich anhand der Daten von spritmonitor.de beim Praxis-Verbrauch nur eine Reduzierung von 193 auf 180 Gramm CO2 pro Kilometer feststellen lässt. Die Schere zwischen angegebenem und realem Verbrauch ist dabei seit 2001 stets weiter auseinander gegangen und liegt nun bei 34 statt 13 Gramm pro Kilometer.
Der ICCT betont außerdem, dass keiner der Hersteller bei der Ermittlung seiner Verbrauchswerte gegen geltende Regeln oder Gesetze verstoßen hat. Es findet lediglich eine durchaus legitime Optimierung der Fahrzeuge auf den Messzyklus statt, was man den Herstellern allerdings nicht vorwerfen kann – das Problem ist der offenbar ungeeignete EU-Messzyklus, der seit Jahren dringend einer Überarbeitung bedarf. Hierbei müssen selbstredend auch die CO2-Vorgaben angepasst werden, denn die aktuell von der EU ausgerufenen Ziele lassen sich wenn überhaupt, dann nur unter den Bedingungen des aktuellen EU-Zyklus erreichen.
Die komplette Studie gibt es direkt beim International Council of Clean Transportation zum Download.
(Grafiken & Infos: ICCT LabToRoad 2013)