Ende letzten Jahres schickte BMW die fünfte Generation des BMW M5 auf die Straße und auch wenn es im Vorfeld viel Kritik für das komplett neue Technik-Konzept und insbesondere die Abkehr vom V10-Hochdrehzahlsaugmotor des Vorgängers (E60) gab, konnte der neue M5 mit seinem 560 PS starken V8-Biturbo inzwischen viele Fans gewinnen und die meisten Kritiker überzeugen.
Für alle, die mehr Details zur Technik des neuen M5 wissen wollen, ist vielleicht das folgende Interview mit Maximilian Ahme interessant, das vor einigen Tagen auf der offiziellen Website der M GmbH (M-Power.com) veröffentlicht wurde und in dem unter anderem über den Motor, das “Fehlen” eines Allradantriebs und das aktive M Differzial gesprochen wird.
Wann begann die Entwicklung des BMW M5 und wie viele Testkilometer wurden abgespult?
Für die Entwicklungserprobung eines BMW M muss man zwei bis drei Jahre einkalkulieren. Es kommen im ersten Schritt z.T. noch Vorgängerfahrzeuge zum Einsatz, mit denen z.B. erste Motorerprobungen gefahren werden. Das ist aber nur eine kurze Phase. In die Feinabstimmung geht es dann mit aktuellen Fahrzeugen. Den Entwicklungsabteilungen für Motor, Elektronik, Fahrwerk usw. stehen jeweils eigene Erprobungsfahrzeuge zur Verfügung, um den aktuellen Stand der Technik auf Herz und Nieren zu testen. Insgesamt wurden beim neuen BMW M5 auf diese Weise ca. 2 Millionen Testkilometer weltweit absolviert.
In welchen Details unterscheidet sich der Motor des BMW M5 von dem des BMW X5 M/X6 M?
Der Motor des BMW M5 ist nahezu komplett neu konstruiert. Er hat mit dem Motor des X5/6 M im Prinzip nur den Bankwinkel (90 Grad) und den Zylinderabstand gemeinsam. Im Lastenheft stand außerdem eine höhere maximale Drehzahl von 7.200 Umdrehungen.
Um den Forderungen nach niedrigem Kraftstoffverbrauch und gutem Ansprechverhalten nachzukommen ist vieles neu: angefangen von der stufenlosen Regelung des Einlassventil-Hubs (VALVETRONIC) über den optimierten „BüK“ (Bankübergreifender Krümmer) bis zur Entdrosselung der Ein- und Auslassseite, wo wir größere Ladeluftkühler und Turbolader mit mehr Luftdurchsatz nach dem M-TwinScroll Konzept verwenden. Dafür war u.a. ein neuer Zylinderkopf mit neuem Ventiltrieb und High Precision Injection erforderlich. VALVETRONIC in Verbindung mit Direkteinspritzung bei einem Achtzylinder-Triebwerk – hier hat BMW M Pionierarbeit geleistet. Durch diese Maßnahmen wird zudem Kraftstoff gespart.
Für höhere Querbeschleunigung wurde der Ölkreislauf optimiert: ein Nasssumpf mit einer zusätzlichen Ölpumpe, was sich schon beim Vorgängermotor bewährt hatte. Motor- und Getriebesteuerung sind ebenfalls neu. Das Gesamtpaket garantiert ein Ansprechverhalten wie wir es von früheren M Modellen kennen, vom so genannten „Turboloch“ ist nichts zu spüren.
Warum wurde nicht einfach das Wandlerautomatikgetriebe vom BMW X5 M/X6 M adaptiert?
Von 5.750 bis 7.000 Umdrehungen stellt der neue V8 Motor im M5 die Maximalleistung bereit. In Verbindung mit darauf abgestimmten M DKG (Doppelkupplungsgetriebe) nutzen wir beim Hochschalten unter sportlicher Fahrweise die Maximaldrehzahl von 7.200 Umdrehungen, um im Anschlussgang mit der Drehzahl wieder im Bereich der Maximalleistung einzusteigen. Genau das wollten wir mit der vergrößerten Drehzahlspannweite erreichen. Eine Wandlerautomatik ist nicht für die anvisierten Drehzahlen ausgelegt und konnte deshalb nicht eingesetzt werden. Zudem bietet ausschließlich das DKG die Option ohne Zugkraftunterbrechung zu schalten. Sehr wichtig für gute Beschleunigungszeiten… Seitens des Kraftstoffverbrauches gibt es keine Nachteile, dieser ist mehr von der Gesamtübersetzung, nicht von der Anzahl der Gänge abhängig.
Wie bringt man einen Turbomotor im Pkw dazu, bis auf 7.200 Umdrehungen zu drehen, bis vor kurzem schien das unmöglich?
Das ist nicht so sehr eine Frage der Drehzahl des Motors oder des Turboladers, beim BMW Formel 1 Motor hatten wir bereits Drehzahlen bis ca. 14.000 Umdrehungen. Der Lader muss mit seinem Kennfeld, mit seinem Druck- und Volumenkennfeld auf den Gasdurchsatz des Motors angepasst werden. Dieser wiederum ist abhängig vom Hubvolumen, der Drehzahl und der gewünschten Leistungscharakteristik. Grundsätzlich kann man sagen: kleine Lader sind gut für schnelles Ansprechverhalten und hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen, große Lader gut für hohe Maximalleistung. Ich denke wir haben hier beim neuen M5 einen optimalen Kompromiss bzgl. Ansprechverhalten und Leistungsentfaltung gefunden.
Wie funktioniert das Kühlsystem mit seinen 10 Kühlern?
Der neue BMW M5 hat mit 412kW / 560 PS Leistung satt und er bietet souveräne Fahrleistungen. Doch bei dieser enormen Leistungsabgabe entsteht viel Verbrennungswärme, die abgeführt werden muss. Das ist bei jedem Hochleistungsmotor gleich. In der Formel 1 sind die Kühler exponiert in den Seitenkästen untergebracht – bei einer Sportlimousine muss man andere Lösungen finden. Für den neuen BMW M5 haben wir ein maßgeschneidertes Kühlungspaket entwickelt, das alle unsere Anforderungen perfekt abdeckt. Insgesamt 10 Kühler sorgen einerseits für einen gesunden Temperaturhaushalt und sie unterstützen in ihrer Gesamtkonzeption andererseits das spontane Ansprechverhalten des V8-Triebwerks.
Für Turbomotoren gibt es entweder das Prinzip einer direkten oder indirekten Ladeluftkühlung. Bei der direkten Ladeluftkühlung kommen Luft-Luft-Wärmetauscher zum Einsatz, das hätte in unserem Fall für die Ladeluft deutlich längere Wege zur Wagenfront mit größerem Totvolumen bedeutet. Wir setzen deshalb mit der indirekten Ladeluftkühlung für jeden Turbolader einen Luft-Wasser-Wärmetauscher ein, der zwischen Verdichter und Einlasskrümmer platziert ist. Die bei der Komprimierung der Luft entstehende Wärme wird über das Medium Wasser zu 3 Wasser-Luft-Kühlern im Vorderwagen geführt. Die Ladeluft strömt also auf kürzestem Wege mit großem Querschnitt vom Verdichter über den Ladeluftkühler direkt zum Einlasskanal. Somit verbessert sich das Ansprechverhalten des Triebwerks. Wir haben für jede Zylinderbank einen Luft-Wasser Kühler sowie insgesamt drei Wasser-Luft-Wärmetauscher: je ein Kühler im Radhaus links und rechts und einer vor dem Hauptwärmetauscher. Für die Ladeluftkühlung (Niedertemperatur-kreislauf) sind also bereits 5 Kühler mit eigenem Ausgleichsbehälter und 2 elektrisch angetriebenen Wasserpumpen im Einsatz.
Dazu kommt noch der Kühler für den Hauptkühlkreislauf (Hochtemperaturkreislauf), wie man ihn von jedem Auto kennt. Je ein weiterer Kühler ist klassisch für Motor- und Getriebeöl sowie die Lenkhydraulik vorgesehen. Letztendlich gibt es noch den Kondensator für die Klimaanlage. Insgesamt sind das in Summe 10 Kühler.
Das Hinterachsdifferenzial besitzt erstmals eine Aluminiumölwanne mit ausgeprägten Kühlrippen, dort ist kein eigener Kühler erforderlich. Durch einen geringeren Achsverssatz im Differenzial wird die Reibung und damit die Wärmeentwicklung reduziert. Weniger Reibung bedeutet auch hier weniger Kraftstoffverbrauch.
Welche Rolle spielen die Efficient Dynamics Maßnahmen bei der Reduzierung des ECE-Normverbrauchs um etwa 30 Prozent?
Eine derartige Verbrauchsreduzierung auf 9,9 l/100 km im ECE Zyklus wird durch BMW EfficientDynamics Maßnahmen und Wirkungsgradverbesserung erreicht. Wie das beim Hinterachsdifferenzial funktioniert, haben wir oben bereits beschrieben. Beim Motor leisten die variable Ventilsteuerung VALVETRONIC und Doppel-Vanos sowie das hohe Drehmoment bei niedriger Drehzahl einen wichtigen Beitrag. Hinzu kommt die Motor Start-Stopp-Automatik, die Varioserve-Lenkhilfepumpe, die volumenstromgeregelte Motorölpumpe, rollwiderstandsoptimierte Reifen und Bremsenergie-Rückgewinnung, um in Schubphasen die Batterie aufzuladen. Das gesamte Paket hilft, die Verbrauchziele zu erreichen, ohne den Fahrspaß zu schmälern. Ein weiterer Vorteil: In Verbindung mit dem größeren Tank konnte die Reichweite deutlich vergrößert werden.
Warum ist ein Allradantrieb beim M5 nach wie vor keine Option?
Angesichts der Leistung und des Drehmoments des BMW M5 könnte man darüber nachdenken. Für uns überwiegen im Fahrbetrieb jedoch die Nachteile des Allradantriebs. Mehr Gewicht durch vier angetriebene Räder bedeutet mehr Verbrauch und eine Verschiebung der Achslast in Richtung Vorderachse. Wir legen jedoch großen Wert auf eine ausgeglichene Gewichtsverteilung für das M-typische Fahrverhalten. Zudem hätten wir den Motor höher platzieren müssen, was zu einem höheren Schwerpunkt geführt hätte.
Warum wurde das Volumen des Kraftstoffbehälters nicht noch mehr; auf z.B. 90 Liter vergrößert?
Wir haben den Raum, der unter den Rücksitzen zur Verfügung steht, optimal ausgenutzt. Es kommt deshalb auch ein Stahltank an Stelle eines Kunststofftanks zum Einsatz. Mit Stahl ist bei gleicher Festigkeit eine geringere Wandstärke möglich, das Tankvolumen wurde von 70 auf 80 Liter vergrößert. Wir haben wirklich um jeden Millimeter gerungen, schließlich sind auch Sicherheitsabstände einzuhalten.
“innovatives Aktives M Differenzial zur Optimierung der Kraftübertragung auf die Hinterräder”, heißt es in der Pressemappe. Worin besteht die Innovation beim BMW M5?
Die Lammellensperre beim Vorgängermodell wird durch die Drehzahldifferenz der Antriebsräder gesteuert. Es ist also ein passives System, bei dem die Sperrwirkung durch unterschiedliche Raddrehzahlen aktiviert wird. Nun geschieht das proaktiv über einen Elektromotor mit nachgeschaltetem Getriebe und Kugelrampe. Wir nutzen ein ähnliches Lamellenpaket, das über den Elektromotor vorgespannt wird. Es wird u.a. der Fahrerwunsch berücksichtigt, d.h. bereits wenn der Fahrer Gas gibt, beginnt das System zu sperren und das auch bei schnell wechselnden Reibverhältnissen, z.B auf einem „Fleckerlteppich“ aus Schnee und Asphalt. Das System arbeitet auch bei Schub – wenn die Radsensoren entsprechende Werte registrieren, wird die Sperre aktiviert. Das schafft mehr Fahrstabilität. Ein passives System reagiert in diesem Fall nicht. Während ein passives System immer mit Vorspannung arbeitet, kann die aktive Sperre jedoch komplett entsperrt werden. Dann ergibt sich durch die verminderte Reibung ein Vorteil beim Kraftstoffverbrauch. Mit der aktiven M-Differenzialsperre können wir immerhin auch bei 25 Prozent Steigung und stark unterschiedlichen Reibwerten (Eis/Asphalt) noch am Berg anfahren. Wenn man dort am Hang steht, glaubt man kaum, dass man losfahren kann, es klappt aber tatsächlich. Das Betreten der Eisfläche unterlässt man hier besser…
Welche Rolle spielen die Reifen bei der Abstimmung der komplexen Fahrwerk-Regelsysteme?
Die Fahreigenschaften des Autos werden zu einem großen Teil von den Reifen bestimmt. Sowohl die Kraftübertragung bei Kurvenfahrt, beim Beschleunigen und Bremsen, als auch die Rückmeldung der Fahrbahn erfolgt über die Reifen. Mindestens genauso wichtig sind die Fahrwerksabstimmung und die Lenkung. Nur mit exakt auf das Fahrwerk abgestimmten Reifen können die überragenden Fahreigenschaften, wie sie der BMW M5 bietet, erreicht werden. Wir entwickeln unser Auto in enger Abstimmung mit dem Reifenhersteller und auf einen bestimmten Reifentyp. Die Reifen müssen sehr hochgesetzte Kriterien erfüllen, deshalb ist es für die Reifenhersteller nicht einfach, eine Freigabe von uns zu bekommen. Ich kann deshalb nur raten, ausschließlich die von uns freigegebenen Reifen zu verwenden.
Warum hat man sich für zwei M Drive Tasten entschieden?
Mit nur einer Taste gibt es zwei Einstellmöglichkeiten: das Basis-Setup beim Start und die selbst konfigurierte M Drive Tasten-Belegung. Diese besteht aus den Einstellmöglichkeiten der Motor- bzw. Fahrpedalkennlinie, DSC, EDC, M DKG; Servotronic und Headup-Display. Wir starten den M5 jetzt immer in Efficient und Comfort, also verbrauchsgünstig und komfortabel. Eine M Taste ist nun mit dem Cruise Modus vorbelegt, d.h. hier wird noch automatisiert, aber bei höheren Drehzahlen geschaltet und im Fahrwerk noch nicht die härteste Stufe gezündet, womit ich noch immer gediegen unterwegs bin. Die zweite Alternative ist die sportliche Variante, in der ich z.B. selbst schalte (über die Lenkradpaddles oder am Schalthebel), im Fahrwerk höhere Dämpferkräfte aktiviere, höhere Lenkkräfte habe und der Motor noch bissiger anspricht. Mit diesen 3 Setups werden wahrscheinlich viele Kunden schon zufrieden sein. Alle anderen konfigurieren sich zum unveränderbaren Basis-Setup ganz einfach die Belegung der beiden M Tasten entsprechend ihrer Bedürfnisse.
Wie viel Leistung steht im Fahrmodus Efficient noch zur Verfügung, bzw. wie unterscheiden sich die drei Fahrmodi?
Bei der Leistung gibt es keinen Unterschied, es ändert sich allerdings das Verhältnis von Fahrpedalstellung zur Leistungsentfaltung. In „Efficient“ verläuft die Kennlinie flacher für sanfteren Leistungseinsatz, in „Sport plus“ deutlich steiler für eine sehr spontane und direkte Leistungsentfaltung. Der neue BMW M5 hat also im Gegensatz zum Vorgänger immer die volle Leistung abrufbereit.
In welchen Punkten wurde das Fahrwerk gegenüber dem BMW 5er verändert?
Die Vorderachse hat eine steifere Anbindung an die Karosserie erhalten. Weiterhin wurde die Spur verbreitert, die Kotflügel mussten dadurch weiter ausgestellt werden. Wir haben die Abstützbasis des Vorderachsträgers verbreitert und mit einem Schubfeld versteift – eine Metallplatte, die mit dem Vorderachsträger an berechneten Punkten verschraubt ist. So werden die Kräfte großflächig in die Karosserie eingeleitet. Damit erhöhen wir die Torsionssteifigkeit, die Karosserie verwindet sich noch weniger. Die Hinterachse folgt in der Kinematik dem hervorragenden Prinzip des Vorgängermodels. Der Hinterachsträger ist jedoch starr mit der Karosserie, also ohne Gummilager verbunden. Das Resultat ist eine höhere Fahrpräzision und eine gute Rückmeldung. Es kommt ebenfalls ein Zugfeld, das gleiche Prinzip wie an der Vorderachse, zum Einsatz. An der Hinterachse leiten wir Kräfte, die auf das Fahrwerk wirken, in die Seitenschweller und den Kardantunnel über ein Strebenpaket ein. In Verbindung mit der hydraulischen Zahnstangenlenkung mit variabler Übersetzung erhält der Fahrer eine sehr präzise Rückmeldung über die Fahrbahn und die Reaktion des Fahrzeugs.
Wie hoch ist die maximale Querbeschleunigung?
Sie kann in Abhängigkeit von Fahrbahnbelag und Umgebungsbedingungen mit unserer Serienbereifung Werte bis 1,2 g erreichen. Es handelt sich dabei nicht um eine konstante Größe. Durch Bodenwellen und Unebenheiten der Fahrbahn sind sogar kurzfristige Spitzen bis 1,3 g erzielbar oder auf dem Nürburgring noch etwas mehr, wenn beispielsweise durch eine Kompression die Auflagekraft kurzfristig erhöht wird. Die 1,2 g beziehen sich also auf eine so genannte „Normkurve“.
Welche Detaillösungen waren die größten Herausforderungen?
Das Ganze ist mehr als die Summe aller Teile. Angesichts der massiven Leistung ist die Abstimmung der Regelsysteme eine besondere Herausforderung. Schließlich sollen unsere Kunden mit dem BMW M5 bei jedem Wetter entspannt und sicher mit der ganzen Familie die Alltagstauglichkeit „erfahren“ können. Auf der anderen Seite soll der BMW M5 auch auf der Rennstrecke glänzen. Den Presseberichten zufolge ist uns das offenbar recht gut gelungen.
(Interview: M-Power.com)