Die ersten Informationen, die man von BMW aus der Pressemitteilung Ende letzten Jahres entnehmen konnte, lasen sich zunächst nicht sonderlich vielversprechend: Turbomotor, oben drein noch ein unveränderter aus einem “schnöden” AG-Modell. Kein Hightech-Getriebe mit Doppelkupplung, sondern ein banales Handschaltgetriebe. In letzter Sekunde statt zwei Endrohren einen Vier-Rohr-Endpott verpasst bekommen. Kann das was werden?
Eine Probefahrt sollte Licht ins Dunkel bringen. Vor kurzem hatten wir nun die Möglichkeit, das BMW 1er M Coupé ein wenig kennen zu lernen und möchten Euch die Erfahrungen nicht vorenthalten. Da wir die Zeit lieber mit Fahren als mit Fotografieren verbracht haben, verweisen wir in Sachen Bilder auf das offizielle Bildmaterial von BMW, direkt von der Vorstellung oder vom US-Launch in Monticello.
Der Antrieb:
Ein entscheidender Aspekt an einem sportlichen Wagen ist zweifellos der Antrieb, also die Kombination aus Triebwerk und Getriebe. Um es gleich vorweg zu nehmen: Das Ergebnis hat angesichts der Unkenrufe wirklich überrascht. Die Überraschung beginnt schon beim Druck auf den Starterknopf. Die vier Endrohre (übrigens misst jedes 75 mm im Durchmesser) bellen einmal kurz auf um den Biturbo-Motor anschließend einem stabilen Leerlauf zu übergeben.
Der Klang im Stand interessiert aber eigentlich herzlich wenig und so geht es gleich los. Dem Motor entweicht beim Gasgeben ein herzhaft kerniger Sound. Je nachdrücklicher das Gaspedal durchgedrückt wird, desto zorniger klingt es. Das Ganze geht ohne Hemmungen in den Drehzahlbegrenzer. Von wegen Luftpumpe, die im oberen Drehzahlbereich zäh und irgendwie fade wird. Die eigentlich andernorts von den Turbomotoren bekannte Drehunwilligkeit oder Angestrengtheit im oberen Drehzahlbereich ist also nicht im Ansatz vorhanden. Gasbefehle werden unmittelbar umgesetzt. Im untertourigen Schiebebetrieb und bei plötzlichem Voll-/Gasgeben im hohen Gang kommt für die ganz kritischen “Turbolinge” aber dann tatsächlich noch ein minimales Gedenk-Viertel-Sekündchen ans Licht. Aber irgendwann müssen die 0,8 bar Ladedruck ja auch aufgebaut werden. Stört es? Definitiv nein! Der Motor fühlt sich immer kräftig und büffelartig an.
Nächste Überraschung ist die antiquiert wirkende Getriebe-Kupplungseinheit. Das Zusammenspiel der beiden Füße mit der Schalthand ist auf Anhieb perfekt möglich. Alles wirkt hier wie aus einem Guss. Der Antrieb macht einen soliden, strammen und direkten Eindruck. Kurze, knochige Schaltwege mit verglichen zu anderen BMW Modellen einem leicht erhöhten Schaltkraftaufwand. Die Dosierung der Kupplung funktioniert sowohl im Stop-and-go-Verkehr tadellos, als auch bei der Landstraßenhatz. Das im Vergleich zum 135i erleichterte Schwungrad hat auch im Stadtverkehr keine Nachteile. Der gefürchtete Bonanza-Ritt über die Kreuzung bleibt stets aus. Der M5 E39 konnte das manchmal noch ganz anders. Gut, zwischen beiden liegen auch 13 Jahre Fortschritt. Vielleicht ist der 1M einer der letzten M mit Handschaltung – Angesichts dieser Perfektion wirklich schade. Bei aktiviertem M Dynamic Mode werden die Kennlinien des Gaspedals sehr bissig. Naturgemäß ist das nicht so sehr für die Stadt geeignet.
Noch einmal kurz zum Sound: Der ist wahrlich gelungen. Sehr kernig und deutlich zu vernehmen, ohne übertrieben zu röhren. Wenn man auf der Landstraße bei 80 km/h seine Ruhe haben will, gönnt der Motor sie einem auch. Wenn man dann vom 6. in den 4. in den 3. schaltet, am besten noch mit Zwischengas und knapp vor einem Tunnel, kann man sich ja ausmalen, was bei anschließendem Vollgas los ist. Bis Tempo 160 waren die Scheiben an dem schönen Frühlingstag der Probefahrt eigentlich immer unten.
Die subjektiven Fahrleistungen:
Die vom Werk angegebenen Fahrleistungen sind absolut glaubhaft. Der Durchzug ist sensationell. Eigentlich kann man fast immer den V-Gang drin lassen. Je tiefer man schaltet, umso schneller geht es natürlich voran und umso zorniger klingt der Motor. Bei Volllast im Overboostbereich wird man sehr nachdrücklich in den Sitz gepresst. Die Arme werden lang gezogen und der Rücken der Insassen gegen die Sitzflächen gedrückt. Gerade bei Kurvenfahrt schwirrt dann immer ein kleinwenig der Geist des Porsche Ur-Turbo 930 mit. Um nach Tacho von 80 auf 260 km/h zu beschleunigen braucht man nur wenig Wegstrecke. Der Wagen zieht richtig gut an, so dass nur sehr wenige Fahrzeuge dran bleiben können oder schneller sind.
Eine optionale Vmax-Erweiterung wie zum Beispiel beim M3 bekannt ist für das 1er M Coupé nicht geplant. Der Overboost mit 50 Extra-Nm ist übrigens nach einem Schaltvorgang bei Vollgas in jedem Gang für 5 Sekunden verfügbar. Man hat aufgrund des gut funktionierenden Antriebs nicht das Gefühl, übermotorisiert zu sein. Respekt vor der Leistung ist aber dennoch angesagt. Die schnell aufflackernde Leuchte vom DSC beim vollen Beschleunigen aus niedrigen Geschwindigkeiten erinnert einen im Zweifelsfall aber wieder daran.
Das Fahrwerk:
Ernsthafte Aussagen zur Querdynamik kann man – wenn man mal ehrlich ist – aufgrund der StVO und anderer Verkehrteilnehmer wie bei fast jedem Sportwagen nicht abschließend treffen. Schon gar nicht mit einem Wagen, der dieser Tage erst seine Händlerpremiere feiert. Der 1M liegt aber satt auf der Straße, ist äußerst kurvenwillig, lenkt zielgenau ein und straft trotz der 10 Zoll breiten Hinterradfelgen die Passagiere nicht mit ungebührlicher Federungshärte. Die Reifen vom Typ Michelin Pilot Sport 2 scheinen zudem den Komfortgedanken des Fahrwerks positiv zu unterstützen. Gerade auf kleine Unebenheiten reagiert der M nicht knüppelhart.
Die Lenkung agiert feinfühlig, direkt und mit im Verhältnis zu den einfachen 1er Modellen leicht erhöhten Bedienkräften. Der Grund liegt neben den 9 Zoll breiten Vorderradfelgen in der hydraulischen Zahnstangenlenkung. Ist beim kompakten M Coupé der Dynamic Mode aktiviert, sind von Innen spürbare und von außen sichtbare Drifts möglich, wie wir bereits vor unserer Probefahrt auf abgesperrtem Gelände erleben konnten. Bei kompletter Deaktivierung wird der Wagen zur heftigen Heckschleuder. Die Bremsanlage mit den Compound-Scheiben lässt sich gut dosieren und beißt 1A zu. Da wir aus den oben genannten Gründen nicht an der Fadinggrenze operierten, ließen sich keine weiteren Stärken oder Schwächen herausfinden. Die Bremsanlage entspricht übrigens in wesentlichen Punkten der des schwereren BMW M3.
Die Karosserie:
Die Frontschürze mit ihren fünf Öffnungen sieht böse und eindrucksvoll aus. Zusammen mit den breiten Backen erhält man dadurch ein recht gutes Überholprestige und einen schlechten Luftwiderstandsbeiwert. Die Lackierung des gefahrenen 1M in Orange tut hier ihr Übriges. Ob die beiden Air Curtains, die dafür sorgen, dass sich ein Luftschleier über die Vorderräder legt, positiven Einfluss haben, lässt sich als Fahrer nicht verifizieren. Der Wagen liegt jedenfalls sehr satt auf der Straße, egal bei welcher Geschwindigkeit. Die Fahrwerksspur baut im Vergleich zur Basis in Form des 135i deutlich breiter (vorn +71 mm, hinten +44 mm), dementsprechend benötigt auch die Karosserie mehr Platz (+66 mm). Pauschal kann man schon sagen, dass fast alle Autointeressierten zwischen 20 und 40 besonders innerorts dem Fahrzeug in Form von Hinschauen Beachtung schenken.
Der Innenraum:
Typisch 1er mit mehreren neuen, schönen Details. Die Idee mit den Leisten bzw. der Tachoeinheitabdeckung aus Alcantara ist schick umgesetzt. Die neuen Ziffernblätter sind sehr gut ablesbar und nicht billig gemacht, sondern typisch M. Die Sportsitze sind bequem und bieten guten Seitenhalt. Man kann im Wagen eine gute Sitzposition finden. Angeblich zu hoch montierte Sitze ließen sich für uns nicht nachvollziehen. Die weitere Sonderausstattung hat bei der Probefahrt nicht weiter interessiert. Harman Kardon Soundsystem und Navi waren zwar an Bord, aber bereits vor “Dienstantritt” ausgeschaltet. Ansonsten ist noch erwähnenswert, dass es den 1M nur in einer Innenraumfarbe gibt, aber was kann da man bei Schwarz falsch machen?
Der Preis:
Mit Sicherheit sind über 50.000 Euro nicht wenig Geld, aber für einen waschechten M und das Gebotene auf eine gewisse Weise immer noch fair. Gerade wenn man sich am Ausgangmodell 135i orientiert.
Das Fazit:
Das BMW 1er M Coupé ist richtig gelungen. Alle Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Der Top-Einser ist eine Fahrmaschine pur, die aber offenkundig mit dem agilen Fahrwerk von Kurve zu Kurve mehr auf der Landstraße zu Hause sein möchte, als sich den Autobahnasphalt mit irgendwelchen spaßbefreiten Dieselkutschen teilen zu müssen. Wer die finanziellen Möglichkeiten hat, den Wagen zu ergattern, wird damit viel Fahrspaß haben.
Noch einmal die wichtigsten technischen Werksangaben:
Motorenbezeichnung: N54
Zylinderanzahl: 6
Hubraum: 2.979 cm³
Bohrung / Hub: 84,0 mm / 89,6 mm
Leistung: 340 PS bei 5.900/min
Literleistung: 114,1 PS/l
Drehmoment: 450 Nm bei 1.500-4.500/min (Overboost: 500 Nm)
Literdrehmoment: 150,1 Nm/l (Overboost: 167,8 Nm/l)
Verdichtung: 10,2:1
Kraftstoffqualität: 98 ROZ
Maximale Drehzahl: 7.000/min
Maximaler Ladedruck: 0,8 bar
Mittlere Kolbengeschwindigkeit: 17,6 m/s
Hinterachsübersetzung: 3.15:1
Schaltung: mechanisches Handschaltgetriebe
Beschleunigung 0 bis 100 km/h: 4,9 s
Beschleunigung 0 bis 200 km/h: 17,3 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Länge: 4,380 m
Breite: 1,803 m
Höhe: 1,420 m
Radstand: 2,660 m
Luftwiderstand cw-Wert: 0,37
Verbrauch: 9,6 l/100 km
Gewicht: 1.495 kg DIN
Leistungsgewicht: 4,4 kg/PS
Grundpreis: 50.500 EUR