38 Jahre ist es mittlerweile her, dass die Bayerische Motoren Werke AG die Motorenfachwelt auf den Kopf stellte. Statt großer, fetter Reihensechszylindermotoren bot BMW im Jahr 1973 als Krönung des 2002 tii in Pionierarbeit erstmals einen aufgeladenen Vierzylinder für den Straßenverkehr an.
Doch das Timing war mehr als ungünstig und so sorgte die Ölkrise nach nur 1.672 gebauten Einheiten für den schnellen Niedergang des BMW 2002 turbo. Der Wagen provozierte und schaffte es noch vor seiner Serienfertigung, eine Debatte über die “Auswüchse auf der Straße” zu entfachen. Der 2002-turbo-Schriftzug in Spiegelschrift auf dem Frontspoiler erreichte daher erst gar nicht den Kunden und wurde noch vor der Publikumspräsentation auf der IAA 1973 entfernt.
Der M31 genannte Turbomotor leistet damals 170 PS bei 5.800/min und ist damit 40 PS stärker als die sportliche Basis 2002 tii. Damit beschleunigte der leichte Wagen für seine Zeit sensationell gut: Bei Werten von 6,9 s für den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h und einer Höchstgeschwindigkeit von 211 km/h hatte selbst ein viel teurer Porsche 911 das Nachsehen gegen den pausbackigen 02. Der erste Porsche Turbo kam übrigens erst zum Modelljahr 1975 und damit nach dem Turbo-BMW auf den Markt.
Schnell bewegt war der 2002 turbo kein Fahrzeug für Anfänger. Bis 4.000/min war beim Vortrieb eher Ebbe als Flut angesagt um dann plötzlich nach vorn zu stürmen, als wenn der Leibhaftige dem Wagen persönlich auf den Heckspoiler klopft. Der KKK-Turbolader diente ausschließlich der Leistungs- und nicht wie heute auch der Komfortsteigerung.
Die Literleistung von 85 PS und das Literdrehmoment von 122,5 Nm des 1.990 cm³ großen Reihenvierzylinders waren damals recht einzigartig. Doch obwohl der M31 nur mit maximal 0,55 bar aufgeladen wird, ließ die einfache Technik kein harmonisches Einsetzen der Aufladung zu. Je höher der Motor tourt und seine Abgase ausstößt, desto schneller dreht sich die Turbine. Mit maximal 100.000 Umdrehungen rotiert das Laderrad.
Außerdem galt hier besonders der Spruch “Turbo läuft, Turbo säuft.” BMW wies bei der Konstantfahrt mit 110 km/h bereits einen Verbrauch von 10,5 l/100 km aus. Zuviel für eine Zeit, in der im Winter 1973 zum Sparen von Kraftstoff kurzzeitig das Sonntagsfahrverbot eingeführt wurde.
Nach Einstellung der Produktion des 2002 turbo verschwand bei BMW dann auch für gut dreieinhalb Jahrzehnte ein Turbolader befeuerter, vierzylindriger Ottomotor. Der Fokus der engagierten Motorentwickler war nach Ende der 02-Ära besonders auf satt klingende und seidig hochdrehende Sechszylindermotoren gerichtet.
Ausgerechnet durch Volkswagen bekam der aufgeladene Vierzylinder dann Ende der 90er Jahre im großen Stil endgültig seine Rehabilitierung. Lange hat es gedauert, bis BMW entsprechend reagiert und sich in diesem Segment zurückmeldet. Die Leistungsdaten des neuen, N20B20 genannten Turbomotors lesen sich viel versprechend: 1.997 cm³, 245 PS und 350 Nm.
Interessant sind auch die geringen Nenndrehzahlen: Bei 5.000/min werden 245 PS generiert, bei nur 1.250/min ebenso sagenhafte 350 Nm. Die Werte versprechen besonders entspanntes Fahren. Mangelnde Drehfreude braucht man, soviel sei schon verraten, nicht befürchten. Der Motor dreht gleichmäßig bis knapp an 7.000/min und hat keine Scheu vor hohen Drehzahlen.
Das Triebwerk wurde aufwendig konstruiert. Die vom aktuellen Sechszylindermotor N55 adaptierte TwinScroll-Turboladertechnik, die voll variable Ventilsteuerung Valvetronic und die Direkteinspritzung machen aus dem N20 den modernsten Vierzylinder auf dem Markt. Die zwischen den Ventilen angeordnete Magnetventil-Injektoren arbeiten mit einem maximalen Einspritzdruck von 200 bar. Mit bis zu 1,2 bar schaufelt die Laderturbine die Ansaugluft in die Brennräume.
Die Valvetronic-Technik mit einer stufenlosen Regelung des Hubs der Einlassventile lässt die sonst übliche Drosselklappe und damit Drosselverluste wegfallen. Die herausragende Ansprechverhalten eines Saugmotors, bei dem ein Luftsammler, eine Einzeldrosselklappenanlage und ein Fächerkrümmer die Ladungswechsel optimieren, wird trotz der Maßnahmen allerdings nicht erreicht. Im direkten Vergleich zu solch einem Saugmotor wirkt die Gasannahme daher leicht verzögert. Ein Turbomotor punktet traditionell mit anderen Dingen: hohe Leistungsausbeute, viel Drehmoment, humane Drehzahlen.
Mit einer Literleistung von 122,5 PS und einem Literdrehmoment von 175 Nm schlägt der N20 seinen Urahn M31 erwartungsgemäß schon knapp über der Leerlaufdrehzahl. Seine Premiere feiert der neue Turbomotor im ab März 2011 überarbeiteten BMW X1 xDrive28i. Wieso bei 2.0 Liter Hubraum denn 28i, fragt sich vielleicht manch Interessierter.
Zum einen ersetzt der Motor den Valvetronic-Reihensechszylinder N52B30 mit 258 PS, zum anderen wird sich bei der Nomenklatur wieder des Turbofaktors erinnert. Der stammt aus längst vergangenen Motorsporttagen und betrug 1,4. Demnach erreicht ein aufgeladenes Triebwerk etwa 1,4 Mal so viel Leistung wie ein vergleichbarer, frei saugender Motor. BMW wandte diesen Namentrick in den 80er Jahren schon einmal beim sechszylindrigen 732i mit Turbolader an, der deshalb 745i hieß.
Trotz weniger Leistung beschleunigt der neue xDrive28i deutlich schneller als mit dem N52B30. Hauptgrund ist das durchweg höhere Leistungsniveau im mittleren Drehzahlbereich. Bei 3.000/min leistet der N20 etwa 150 PS, bei 4.000/min knapp 200 PS. Der mittlerweile nur noch im BMW 130i und Z4 sDrive30i eingesetzte Motor leistet hier zum Vergleich nur 130 respektive 170 PS.
Beim good old 2002 turbo lesen sich diese Werte natürlich noch zurückhaltender: bei 3.000/min gut 85 PS und bei 4.000/min etwas über 135 PS. Mit dem neuen 2.0-l-Triebwerk meldet sich BMW eindrucksvoll in der Vierzylinder-Szene zurück. Die vielen technischen Details und Innovationen wie die Kennfeld geregelte Ölpumpe und bedarfsgerecht arbeitende, elektrische Kühlmittelpumpe erzielen einen hohen Wirkungsgrad. Im Vergleich zum N52 verbraucht der X1-Ableger mit N20-Motor etwa 16% weniger Kraftstoff.
Der Motor wird in vielen Baureihen Einzug halten. Eine weitere Leistungsstufe von der BMW M GmbH soll nach derzeitigen Informationen ebenfalls in der Entwicklung sein. Neben den 1.997 cm³ großen Turbomotoren wird in absehbarer Zeit für die niedrigeren Leistungsklassen auch ein aufgeladenes, nur 1.6 l großes Triebwerk, der N13B16, eingeführt. Es lebe der Turbo!