Über das für 2013 angekündigte Megacity Vehicle von BMW ist in den letzten Monaten viel diskutiert worden und eine der Fragen, die immer wieder zu hören ist, dreht sich rund um die Problematik von Unfällen. Da die Fahrgastzelle des MCV praktisch vollständig aus Carbon bestehen wird, mussten auch bei der Planung des Crashverhaltens ungewohnte Wege beschritten werden.
Die wichtigste Änderung gegenüber “normalen” Autos von heute stellt die Teilung des Fahrzeugs in die Module “Life” und “Drive” dar. Dabei handelt es sich gewissermaßen um eine Abkehr vom Prinzip der selbsttragenden Karosserie, denn Fahrgestell und Karosserie sind wie bei frühen Automobilen getrennt.
Dieser Schritt bietet eine ganze Reihe von Vorteilen: Zunächst lässt sich die Bodengruppe, also das Drive-Modul, auch mit anderen Karosserien verbinden und die Adaption verschiedener Fahrzeugkonzepte ist somit besonders einfach. Außerdem bleibt das aus Carbon bestehende Life-Modul bei normalen Unfällen an Front oder Heck weitestgehend unbeschädigt und trägt nur bei Seitenaufprällen oder extrem schweren Unfällen Schäden davon.
Die Masse der Unfälle wird hingegen vom Drive-Modul mit seiner Aluminium-Struktur abgefangen. Hierbei profitiert das MCV auch von der Lage des Motors: Während bei konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in der Front eine gewisse Steifigkeit gegeben sein muss, damit der Motorblock bei Frontalunfällen nicht in den Fahrgastraum geschoben wird, kann die Front des MCV verhältnismäßig weich ausgelegt werden. Dadurch werden die auf die Insassen wirkenden Kräfte im Falle eines Frontalunfalls deutlich reduziert.
Die Verbindungspunkte zwischen Fahrgastzelle und Fahrgestell können nach einem Unfall relativ leicht ersetzt werden und bei normalen Unfällen müssen lediglich die Crashstrukturen des Drive-Moduls sowie beschädigte Teile der Außenhaut ersetzt werden. Auch am Heck verfügt das MCV über eine Crashstruktur aus Aluminium, die die Kräfte unterhalb der Fahrgastzelle konzentriert und somit die Belastungen für die Insassen minimiert.
Die eigentliche Fahrgastzelle aus Carbon ist extrem steif und bietet daher viel Platz für Schutzmaßnahmen. Während eine normale Fahrgastzelle bei schweren Unfällen, insbesondere bei Unfällen von der Seite, deformiert wird und der Überlebensraum somit kleiner wird, behält die Carbon-Fahrgastzelle unter fast allen Umständen ihre ursprüngliche Form. Insbesondere beim seitlichen Unfall bleibt so mehr Zeit für eine softere Airbag-Abstimmung, da die Fahrgastzelle selbst nicht kleiner wird und keine Gegenstände ins Fahrzeuginnere eindringen.
Besonders deutlich wird das an der Intrusionstiefe beim seitlichen Pfahlaufprall, denn diese liegt bei einem konventionellen Stahlfahrzeug um den Faktor 2 bis 2,5 über den Werten des Megacity Vehicle mit seinem Life-Modul aus CFK. Die Bilder in unserer Galerie zeigen übrigens auch ein Modell, das bereits einen Front-Crash mit 64 km/h nach Euro NCAP-Norm, einen Heckaufprall mit 80 km/h nach US-Norm und einen seitlichen Pfahlaufprall über sich ergehen lassen musste.
Wie unschwer zu erkennen ist, hat die Fahrgastzelle diese Tortur extrem gut überstanden und den Überlebensraum der Insassen praktisch nicht verringert. Gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen mit Stahlkarosserie sollen die Belastungen für die Insassen des MCV bei allen Crash-Arten signifikant niedriger ausfallen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Versuchsträger ohne B-Säule gebaut wurde und somit quasi die schwierigste Lösung für maximale Steifigkeit erprobt wurde. Ob das MCV eine B-Säule haben wird, wurde uns noch nicht verraten. Es ist aber davon auszugehen, dass man derartige Versuche kaum ohne B-Säule machen würde, wenn das MCV über ein solches Element verfügen würde.
Aus Gründen des Fußgängerschutzes ist übrigens davon auszugehen, dass die Haube an der Front, unter der ein kleiner Stauraum vorhanden sein wird, nicht aus Carbon sondern stattdessen aus dem 30 Prozent schwereren Aluminium gefertigt sein wird. Während Carbon extrem steif ist und somit für schwere Verletzungen sorgen könnte, verformt sich Aluminium relativ leicht und reduziert so die Belastungen für mögliche Unfallgegner erheblich.
Bleibt die Frage nach extremen Unfällen: Was geschieht mit beschädigten Carbon-Elementen? Zunächst einmal ist klar, dass es auch beim MCV wirtschaftliche Totalschäden geben wird, bei denen eine Reparatur nicht mehr sinnvoll möglich ist. In der Regel lassen sich Beschädigungen der Carbon-Elemente aber relativ gut beheben, denn die Beschädigungen treten bei diesem Werkstoff sehr lokal auf und haben keine Auswirkungen auf die gesamte Karosserie. Beschädigte Teile lassen sich an den Klebestellen trennen oder auch aussägen, neue Teile können dann mit modernster Technik wieder eingefügt werden.
Nicht mehr verwendbare Teile können an anderer Stelle wiederverwendet werden, denn die verbauten Fasern können zurückgewonnen werden. Aus diesen Fasern lassen sich andere Bauteile herstellen, bei denen es nicht auf maximale Steifigkeit ankommt. Auf diese Art wird übrigens auch der Verschnitt bei der Produktion genutzt, sodass fast keine Fasern tatsächlich Abfall sind und nicht mehr verwendet werden können.
Da es sich beim Megacity Vehicle um ein Elektrofahrzeug handeln wird, musste natürlich auch die Frage nach der Sicherheit der Batterien berücksichtigt werden. Im Fall des MCV befinden sich die Batterien in der Bodengruppe, sind also Bestandteil des Drive-Moduls. Sie sind in einem festen Aluminium-Rahmen integriert und werden im Fall eines schweren Unfalls vom Airbag-Steuergerät deaktiviert beziehungsweise vom Netz getrennt. Selbst bei schweren Unfällen soll der Rahmen für die Batterien nicht in Mitleidenschaft gezogen werden und es ist beinahe völlig ausgeschlossen, das von den Batterien im Falle eines Unfalls irgendeine Gefährdung für die Insassen ausgeht.
Insgesamt bietet das LifeDrive-Konzept trotz des erheblich reduzierten Gewichts mehr Sicherheit für die Insassen als konventionelle Karosserien aus Stahl. Das Megacity Vehicle wird also nicht nur besonders effizient und besonders umweltschonend sein, sondern auch besonders sicher. Allgemeine Infos zum MCV könnt ihr unserem Interview mit Projektleiter Ulrich Kranz entnehmen.