Bei der Fahrzeugentwicklung müssen zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, denn im Laufe eines Autolebens kommen sehr verschiedene Situationen auf ein Auto zu und in keiner dieser Situationen soll ein Premium-Fahrzeug versagen. Um sicherzustellen, dass alle BMWs auch bei extrem kalten Temperaturen wie erwartet funktionieren, besitzt die BMW Group einen Kälteprüfstand, der Bestandteil des Energie- und umwelttechnischen Versuchszentrums EVZ in München ist.
Der Kälteprüfstand ist der kleinste Prüfstand im EVZ und befasst sich vor allem mit Versuchen, die nur bei sehr kalten Temperaturen durchgeführt werden können. Bei diesen Versuchen spielt die naturgetreue Gesamtfahrzeugumströmung keine Rolle, weshalb die Luftführung deutlich weniger aufwändig gestaltet werden kann. Die möglichen Windgeschwindigkeiten enden bereits bei 130 km/h, sie dienen aber auch nur zur Kühlung des Motors.
Im Fokus der Tester liegen Aspekte wie die Kaltstartfähigkeit und die Batteriefunktionalität in strengen Wintern, dazu kommen Tests des Heizungssystems sowie zur Kontrolle der Beschlagfreihaltung der Scheiben. Bei Minus 20° Celsius wird das Fahrzeug mit Wasser vereist, erst dann wird der Motor gestartet und die Heizung auf die Defrost-Stellung geschaltet. Nun wird die Zeit gemessen, die zum Enteisen der Scheibe benötigt wird. Zur besseren Analyse der Messungen zeichnen vier Kameras das Fahrzeug von allen Seiten auf und die Ingenieure können sekundengenau nachverfolgen, wie die Enteisung abgelaufen ist.
Weitere Versuche umfassen beispielsweise das Kaltanfahrverhalten von Getrieben, Strategien für ein intelligentes Energiemanagement bei extremer Kälte sowie die konkrete Auslegung von Heiz- und Klimaanlagen. Ähnliche Versuche werden bereits seit 16 Jahren durchgeführt, in der neuen Kälteprüfkammer des EVZ wurden die bisherigen Verfahren allerdings verfeinert und optimiert. Während manche Versuche früher manuell ausgewertet werden mussten, was bis zu fünf Stunden in Anspruch nahm, können vergleichbare Prüfungen dank vollautomatischer Auswertung heute in nur fünf bis zehn Minuten durchgeführt werden.
Derartige Untersuchungen dienen beispielsweise dazu, die Position der Belüftungsöffnungen im Fahrzeuginnenraum zu optimieren. Um die Fahrzeuge nicht erst auf dem Prüfstand auf die Umgebungstemperatur herunterzukühlen, verfügt das EVZ im Untergeschoss über acht sogenannte Soak Rooms, in denen die thermische Vorkonditionierung für alle Prüfstände erfolgt – Je nach anstehender Untersuchung werden die Fahrzeuge auf eine Temperatur von -40° C bis +55° C gebracht. Dadurch wird Zeit auf dem Prüfstand gespart, die ansonsten nahezu ungenutzt verstreichen würde.
Die konsequente Trennung von Versuchsvorbereitung und -durchführung bringt signifikante Einsparungen mit sich: Während im alten Prüfstandszentrum in Aschheim oft mehrere Stunden zwischen Tests von zwei verschiedenen Fahrzeugen unter identischen Bedingungen vergingen, erfolgt ein Fahrzeugwechsel nun in rund einer halben Stunde. Die Prüfstände können somit deutlich besser ausgelastet werden, weil die Vorbereitung in den Soak Rooms unabhängig vom Prüfstandsbetrieb stattfinden kann.
Um den Transport von den Soak Rooms zu den Prüfständen so schnell wie möglich umsetzen zu können, verfügt das EVZ über zwei speziell temperierte Aufzüge mit besonders niedriger Luftfeuchtigkeit. Wäre die Luftfeuchtigkeit auf einem normalen Niveau, würden die auf bis zu -30° C heruntergekühlten Fahrzeuge sofort vereisen.
Peter Hoff (Projektplanung EVZ): “Besonders wichtig war bei der Konzeption die Realisierung von möglichst kurzen Wegen. Das EVZ ist daher sehr kompakt und auf sehr geringer Fläche realisiert.”