Nachdem es in den letzten fünf Jahren zwar für viele Siege und Pole Positions, aber nie zum Gesamtsieg in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft WTCC gereicht hat, wird Charly Lamm das Team Schnitzer Motorsport nun in die Langstreckenrennen der Saison 2010 führen. Statt dem BMW 320si WTCC mit rund 280 PS wird das Team nun also den rund 500 PS starken BMW M3 GT2 betreuen, der außerdem die denkbar härteste Aufgabe im Motorsport bestehen muss: Während in der WTCC lediglich zwei kurze Sprintrennen über Sieg oder Niederlage entscheiden, verlangt das Rennen auf der Nordschleife 24 Stunden volle Konzentration, denn mit Blick auf die Konkurrenz könnte sich das Langstreckenrennen durchaus zum 24 Stunden andauernden Sprint entwickeln, bei dem es auf jede einzelne Runde ankommt.
Im Interview mit BMW Motorsport erklärt Charly Lamm, worauf es bei einem solchen Rennen ankommt und wie er das Team mit seinen neuen Rennwagen im Vergleich zur Konkurrenz aufgestellt sieht.
Herr Lamm, freuen Sie sich, mit BMW 2010 wieder im GT-Sport anzutreten?
Charly Lamm: “Ja, die Freude ist groß. Wir sind in der Vergangenheit mit BMW Rennwagen immer wieder in wechselnden Bereichen an den Start gegangen. Nun sind wir erneut im GT-Sport dabei. An diese Disziplin haben wir gute Erinnerungen. In der American Le Mans Series konnten wir 2001 den Titel verbuchen, 2004 und 2005 haben wir auf der Nordschleife gewonnen. Nun sind wir wieder da.”
Wie fällt Ihr Fazit nach fünf Jahren Tourenwagen-WM aus?
Lamm: “Das große Ziel, mit einem unserer Fahrer den WM-Titel zu gewinnen, haben wir in all den Jahren nicht erreicht. Dennoch sind viele schöne Momente aus dieser Zeit im Gedächtnis geblieben. Es ging in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft unheimlich eng und spannend zu, die Qualität der Fahrer war sehr hoch. BMW hatte dort erst im BMW 320i und dann im BMW 320si WTCC immer ein konkurrenzfähiges Auto. Wir konnten viele Siege, Polepositions und schnellste Rennrunden sammeln, aber eben nicht den Titel. Das schmerzt schon. Insgesamt war es aber eine schöne Zeit. Nun drücken wir dem BMW Team RBM die Daumen, das für BMW auch in diesem Jahr um den Titel kämpft.”
Wie schwierig ist es, sich als Team von Sprint- auf Langstreckenrennen umzustellen?
Lamm: “Es gibt Teammitglieder bei uns, die seit sieben oder acht Jahren dabei sind und noch keine wirkliche Langstreckenerfahrung sammeln konnten. Daneben gibt es die Erfahrenen, die schon 1999 in Le Mans oder 2001 in der ALMS bei uns waren. Gerade sie sind jetzt gefordert, ihre Erfahrungen schnell an die Jüngeren weiterzugeben. Allerdings hat sich der Langstreckensport in den vergangenen Jahren stark verändert. Wir müssen deshalb das Neue aufsaugen und gleichzeitig unsere Erfahrung in die Waagschale werfen, um von Beginn an vorne mitmischen zu können.”
Wie groß ist die Herausforderung für Ihre Mannschaft in diesem Jahr?
Lamm: “Dass wir wieder mit vielen neuen Dingen konfrontiert sind, macht die Sache natürlich äußerst interessant und spannend. Allerdings bestreiten wir auch einen Wettkampf gegen die Zeit. Die Rennen auf dem Nürburgring und in Le Mans kommen relativ früh im Jahr. Wir müssen deshalb in dieser kurzen Umstellungsphase von der Tourenwagen-WM auf die GT-Rennen eine Menge leisten, damit wir den BMW M3 GT2 schnell kennenlernen und die bestmögliche Performance erzielen können. Die Vorbereitungsphase war deshalb für unser Team sehr intensiv.”
Wie schätzen Sie das Potenzial des BMW M3 GT2 ein?
Lamm: “Das BMW Rahal Letterman Racing Team war in der ALMS 2009 bereits im ersten Jahr mit dem BMW M3 GT2 sehr erfolgreich. Auch unsere Einsätze auf dem Nürburgring im Rahmen der VLN sind im vergangenen Jahr positiv verlaufen. Die Ausgangsbasis, die uns dieses Auto bietet, ist also sehr gut. Wo man wirklich steht, erfährt man im Rennsport aber immer erst im direkten Duell mit der Konkurrenz – und die ist extrem stark.”
Wie beurteilen Sie die Konkurrenzsituation?
Lamm: “Mit der ‚Balance of Performance’ Regelung ist es dem Technikausschuss des DMSB gelungen, das Feld auf dem Nürburgring sehr eng zusammenzubringen. Deshalb ist das 24-Stunden-Rennen für so viele Hersteller und Teams interessant. Seit unserem bis dato letzten Start 2005 hat sich Porsche erheblich verbessert, außerdem ist Audi nun mit einem starken Aufgebot dabei. Darüber hinaus gibt es eine Menge Exoten, die ebenfalls für Überraschungen gut sind. In Le Mans ist die LM GT2 Klasse ebenfalls erstklassig besetzt. Insbesondere Porsche und Ferrari sind dort natürlich die Platzhirsche. Wir haben es also in diesem Jahr mit vielen konkurrenzfähigen Fahrzeugen und starken Fahrern zu tun.”
Wie wichtig ist die Strategie – und damit auch die Rolle des Teammanagers –auf der Langstrecke?
Lamm: “Das Anforderungsprofil an einen Teammanager bei Langstreckenrennen ist komplex. Man muss die Mannschaft optimal auf die bevorstehende Aufgabe einstimmen und sicherstellen, dass die Abläufe in der Box einfach perfekt sitzen. Daneben müssen die Autos bestmöglich von der Boxenmauer aus gesteuert werden. Dieses Schachspiel ist eine tolle Aufgabe, auf die ich mich besonders freue. Trotz aller Rechenmodelle und Simulationen braucht man auch ein glückliches Händchen und eine gute Intuition, um blitzschnell die richtigen Entscheidungen zu treffen.”