Auf der ehemaligen Formel 1-Rennstrecke von Estoril hatten wir Gelegenheit, den neuen BMW 5er F10 unter fahrdynamischen Gesichtspunkten zu testen und haben die neue Limousine natürlich – im Rahmen unserer fahrerischen Möglichkeiten – hart rangenommen. Nach zwei Einführungsrunden mit einem PaceCar vor uns durften wir drei weitere Runden allein absolvieren, danach folgte noch eine Cool Down-Lap zur Erholung für Bremsen und Reifen.
Für die Rennstrecke erhielten wir leider keinen BMW 535i mit 306 PS starkem Reihensechszylinder wie gestern, sondern mussten mit einem 530d Vorlieb nehmen. Das ist allerdings kein Grund zum Jammern, denn auch der BMW 530d bietet einen 245 PS starken Motor unter der Haube, der die Limousine völlig ausreichend antreibt und im Grunde nur auf einer Rennstrecke den Wunsch nach mehr Leistung aufkommen lässt. Blöd nur, dass wir auf einer Rennstrecke waren. Aber obwohl wir die 61 Mehr-PS des 535i natürlich gerne in Kauf genommen hätten, hat uns auch der Diesel gut unterhalten.
Wie das in unserer Galerie verlinkte Drehmomentdiagramm eindeutig zeigt, liegt die maximale Leistung von 180 kW / 245 PS erst bei 4.000 U/min an, das Ausdrehen des Motors lohnt sich also selbstredend auch hier. Da unser BMW 530d mit dem neuen Achtgang-Automatikgetriebe ausgestattet war, hätten wir zwar mit Hilfe der Paddles am Lenkrad durchaus Einfluss auf die Gangwahl ausüben können, in der Praxis stellt sich das aber selbst auf der Rennstrecke meist als überflüssig dar, wenn sich das Getriebe im optionalen Sportmodus befindet und das Fahrzeug dank der Fahrwerkseinstellung Sport+ darüber informiert ist, dass ein minimaler Verbrauch momentan nicht im Interesse des Fahrers liegt.
Für die gute Arbeit des Getriebes ist zum Einen das Triebwerk verantwortlich, denn natürlich kommt es bei einem aufgeladenen Motor mit derart breitem nutzbaren Drehzahlband in der Regel nicht darauf an, ob man nun im dritten oder vierten Gang beschleunigt. Zum Anderen trägt aber auch die Steuerung des Getriebes zur Schaltfaulheit an den Lenkradpaddeln bei, denn in der Regel hat man nicht das Gefühl, der Automatik ins Handwerk pfuschen zu müssen.
Die Gangwechsel finden zügig und praktisch unmerklich statt, der beste Indikator für einen erfolgten Gangwechsel ist somit bei geringer Last der Drehzahlmesser. Gibt man Vollgas, sind die Schaltvorgänge selbstredend akustisch wahrnehmbar, auch eine gewisse Zugkraftunterbrechung ist durchaus wahrnehmbar, allerdings fast nur dann, wenn man explizit darauf achtet. Die kaum spürbaren Gangwechsel passen hervorragend in das Oberklasse-Ambiente der Limousine, sind aber subjektiv weniger sportlich als die ruppigen Gangwechsel eines SMG – für alle, die Wert auf subjektive Sportlichkeit legen, ist das für den 530d ebenfalls angebotene Handschaltgetriebe insofern vielleicht die bessere Wahl. Für den durchschnittlichen 5er-Fahrer, der im Alltag Wert auf sportliches Fahrverhalten legt, andererseits aber nicht auf Komfort verzichten möchte, stellt die Achtgang-Automatik allerdings ohne Zweifel den Königsweg dar.
Aber kommen wir zum eigentlichen Zweck unseres Besuches in Estoril und damit der Frage, wie sich die neue Limousine auf abgesperrtem Terrain verhält. Verlässt man die Boxengasse und passiert die weiße Linie, die das Ende des Geschwindigkeitslimits verkündet, tritt man das Gaspedal nahezu unweigerlich voll durch. Der BMW 530d quittiert diese Aufforderung mit einem Schaltvorgang in den zweiten Gang und nahezu unverzüglicher Beschleunigung.
Nach der kurzen Beschleunigung steht auch schon das Anbremsen der ersten (leichten) Rechtskurve an, die der BMW 5er F10 in überzeugender Manier meistert: Kein Ansatz von Untersteuern, stattdessen ein beeindruckend neutrales Fahrverhalten, das zu jeder Zeit Kontrolle und Sicherheit vermittelt. Ein ausbrechendes Heck durch zu viel Leistung? Kann man provozieren, aber bei aktiviertem DSC unterbindet der ständig hellwache elektronische Rettungsanker Ausbruchsversuche des Hecks konsequent.
Andererseits: Wir befinden uns auf abgesperrtem Terrain, wozu also elektronische Fußfesseln tragen? Wir lassen zunächst die mittlere Stufe der Dynamic Stability Control aktiviert, die sogenannte Dynamic Traction Control. Diese erlaubt einen sportlicheren Fahrstil und greift erst dann regulierend ein, wenn sich die Technik um das Wohlbefinden des Fahrzeugs sorgt. Leichte Driftwinkel sind in der Theorie also möglich, wenn dem Fahrer allerdings das Talent ausgeht, greift die Elektronik noch immer ein. In der Praxis haben wir uns doch etwas bevormundet gefühlt und konnten dem provozierten Untersteuern nicht mit einem Tritt aufs Gaspedal entgegenwirken.
Es bleibt die Option des langen Drucks auf die vor dem Wippschalter für das adaptive Fahrwerk angebrachte DSC-Taste, womit sich die Systeme auch komplett deaktivieren lassen. Sinvoll ist das allerdings nur, wenn man entweder richtig quer fahren möchte oder sich regelmäßig auf der Jagd nach Rundenrekorden befindet, denn für alles auf öffentlichen Straßen empfehlenswerte reicht eigentlich auch der DTC-Modus.
Aber kommen wir zurück auf die Piste! Das erste etwas härtere Bremsmanöver folgt kurz darauf, um die Durchfahrt einer zumachenden Linkskurve vorzubereiten. Beim Bremsen bleibt der 5er wie erwartet stabil und verzögert auf dem von BMW gewohnten Niveau. Die scharfe Kurve nimmt die Limousine mühelos und wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, in einem BMW der 3er-Reihe zu sitzen. Wie uns Projektleiter Josef Wüst schon bei der Premiere in München versprochen hatte, beeindruckt der 5er F10 nachhaltig.
Mit dem Automatikgetriebe bringt es der BMW 530d auf ein EU-Gewicht inklusive Fahrer und Gepäck von 1.795 Kilogramm und ist damit sicherlich kein Leichtgewicht, dank seines adaptiven Fahrwerks ist von diesem Gewicht allerdings kaum etwas zu spüren. Auch wenn der 5er in engen Kurven nicht das Einlenkverhalten eines MINI an den Tag legen kann, ist er für eine große Limousine überaus gut unterwegs und muss sich vor dem Vergleich mit Audi A6 und Mercedes E-Klasse definitiv nicht fürchten.
Nach der engen Kehre heißt es sofort wieder Vollgas und es ist erfreulich, wie spurstabil der neue 5er aus der Kurve herausbeschleunigt und mit Macht die mit einem leichten Rechtsknick garnierte Grade aufschnupft. Der 5er nimmt hier richtig Fahrt auf und vor dem Anbremsen der nächsten Links stehen selbst mit dem 530d knapp über 170 km/h auf dem Tacho, mit stärkeren Motoren ginge hier selbstredend noch etwas mehr.
Entsprechend scharf muss man bremsen, um die Kehre zu erwischen. Der F10 bleibt auch hier gnadenlos neutral und verwöhnt den Fahrer mit direktem Feedback, das man einer elektrischen Lenkung kaum zugetraut hätte. Man merkt, dass der Slogan von der Freude am Fahren nicht nur dahergesagt ist, denn auch und besonders die Kurvenfahrt macht im neuen 5er unheimlich Spaß. Wo andere sich nur auf Graden freuen, freut sich der 5er-Fahrer auch weiterhin über jede Kurve. Naturgemäß werden diese nicht als Hindernis oder Spaßbremse wahrgenommen, sondern BMW-typisch als Fahrspaß-Multiplikator.
Aus der engen Kehre beschleunigt man wiederum schwungvoll heraus und bringt den 5er vom rechten an den linken Fahrbahnrand, um die nächste Rechts optimal anzufahren. Das Herausbeschleunigen aus der Kurve macht hier besonders Spaß, weil einen die Fliehkräfte dank der leicht nach außen hin ansteigenden Fahrbahn praktisch automatisch sanft und gut kontrollierbar in Richtung der rechten Curbs treiben, an die man sich kurz ‘anlehnt’, bevor man auf die linke Straßenseite wechselt.
Die folgende Rechtskurve kann mit etwas über 80 km/h und quietschenden Reifen durchfahren werden, am Kurvenausgang kann man die Curbs in vollem Umfang nutzen und kurz beschleunigen, während man sich beim Durchfahren der schnellen Rechts schon auf die folgende Schikane vorbereitet. Mit Erfahrung kann man hier vermutlich viel Zeit gewinnen, denn als Amateur erwischt man die erste Linkskurve in der Regel so, dass man sich noch während des Durchfahrens der Schikane über die miese Linie für den folgenden Rechtsknick ärgert.
Nun folgt schon das letzte Herausbeschleunigen, bevor man mit einer sehr schnellen Linkskurve die Runde praktisch beendet, denn in unserem Fall war die auf die Start-Ziel-Gerade führende Rechtskurve bereits mit Hütchen markiert, um die vorgeschriebene Fahrt durch die Boxengasse einzuleiten.
In unserem kurzen Video könnt ihr euch selbst ein kleines Bild von der Strecke machen. Die zu sehende Runde hat ein Kollege von uns gefahren und es ging dabei nicht um das Aufstellen einer neuen Rundenzeit. Stattdessen hat er sich auf die Kurvenfahrt konzentriert und auf den Geraden meist nicht mit voller Kraft beschleunigt. Dennoch ist der Streckenverlauf gut ersichtlich und ihr könnt euch hoffentlich ein Bild davon machen, wie die oben beschriebene Runde in der Praxis aussieht.
Zur folgenden Galerie sei gesagt, dass die Masse der Bilder, die das Exterieur des F10 zeigen, vom Fotografen Max Kirchbauer und nicht von uns stammen.