Für BMW gehört der Tourenwagensport zum Markenimage wie für Ferrari die Formel 1 – dennoch scheint es im Moment alles andere als ausgeschlossen, dass sich die weiß-blaue Marke aus München demnächst aus der Tourenwagen-WM WTCC zurückzieht und sich ganz auf die Aktivitäten in der Formel 1 und der ALMS (ab 2009) konzentriert. Der BMW Motorsport-Direktor Mario Theissen hat unlängst klargestellt, dass es für BMW in der WTCC nur eine Zukunft mit dem 320si geben kann – eine klare Aufforderung an die FIA, die Bevorzugung der Diesel-Motoren zu stoppen, anderenfalls steigt BMW aus!
Denn eine weitere Saison mit reglementbedingt überlegenen Gegnern wird sich BMW Motorsport kaum antun. Wie auch die sport auto in ihrer Ausgabe 10/2008 anmerkte, “kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es durchaus erwünscht ist, wenn BMW den Titel endlich mal nicht gewinnt” und die FIA deswegen bewusst über die offensichtlich falsche Einstufung der Diesel-Motoren hinwegsieht.
In vielen Rennen der diesjährigen Saison war klar zu sehen, dass die BMWs den Seats in kurvigen Streckenabschnitten klar überlegen waren, auf den Geraden allerdings keine Chance zum Überholen hatten, weil die Diesel-Seat einfach davonfuhren. Dieses Spiel konnte man an manchen Wochenenden rundenlang beobachten und es belegt eindeutig, dass ein eigentlich langsameres Auto durch ein ungerechtes Reglement unüberholbar gemacht wird. Die sport auto 09/2008: “14 Runden drängelte BMW-Pilot Andy Priaulx hinter Seat-Star Yvan Muller. Das Fazit: Der Seat-TDI ist unüberholbar” – das selbe Bild bestätigt Priaulx selbst: “Ich hätte im ersten Rennen phasenweise eine Sekunde pro Runde schneller fahren können als Yvan Muller im Seat – aber ich kam mit fairen Mitteln nicht vorbei.”
In den Vorjahren war die Aussage der FIA stets, dass man das Gleichgewicht zwischen den Herstellern erhalten müsse, wenn die BMW-Flotte wieder einmal mehr Gewicht zuladen musste oder anderweitig ihrer Heckantrieb-bedingten Vorteile beraubt wurde. Nur in diesem Jahr hat die FIA an einem fairen Wettkampf zwischen gleichstarken Autos ganz offensichtlich kein Interesse, ansonsten hätte sie die Diesel-Dominanz, unter der neben BMW auch alle anderen Hersteller leiden, längst ausgleichen müssen. Die Tatsache, dass Seat in Oschersleben mit einem für WTCC-Verhältnisse extrem schweren Fahrzeug im Qualifying auf Platz zwei und in Imola sogar auf Pole Position fahren konnte, spricht für sich.
Die Frage, warum BMW nicht selbst einen Diesel-Motor an den Start bringt und so ebenfalls von der ungerechten Einstufung dieses Konzepts profitieren könnte, ist auf den ersten Blick durchaus berechtigt. Allerdings gehört es zur BMW-Philosophie im Tourenwagensport, dass die an Privatteams verkauften BMW 320si WTCC technisch identisch zu den Fahrzeugen der Werksteams sind. Würde BMW den 320si mit einem Diesel-Triebwerk ausstatten, wäre diese Chancengleichheit nicht mehr gegeben. Außerdem bestünde die große Gefahr, dass die Tourenwagen-WM zu einer Diesel-Rennserie verkommt, aus der Chevrolet und Honda wohl schon bald aussteigen würden, weil es sich für sie nicht lohnt, einen Diesel-Motor für diese eine Rennserie zu entwickeln. Die sport auto prophezeit in Ausgabe 07/2008: “Der 320d wäre der neue Überflieger. Denn erstens wiegt der Vollaluminiummotor des 320d kaum mehr als der Vierzylinder-Ottomotor. […] Und zweitens würden die 500 Nm der BMW-Dieselwumme nicht die eh schon mit Bremsen und Lenken ausgelasteten Vorderräder traktieren, sondern die Hinterräder – unter dem Aspekt der Reifenschonung ein brutaler Vorteil.” Das Ergebnis wäre auf lange Sicht die Tristesse der DTM, in der zwei Hersteller händeringend nach einem dritten Hersteller suchen, der ihre Rennserie um ein paar weitere Farben und jede Menge Spannung bereichert. Die jahrelangen erfolglosen Versuche der DTM in diese Richtung zeigen, dass dieses Unterfangen äußerst schwierig ist.
Die Weigerung von BMW, das eigene Fahrzeug mit einem Diesel-Motor auszustatten, dient also vor allem der Tourenwagen-WM. Die FIA ist allerdings grade dabei, den prominentesten Hersteller der Rennserie nachhaltig zu vergraulen und damit auch die Anziehungskraft der WTCC signifikant zu schwächen. Wieder die sport auto 07/2008: “Das Diesel-Reglement ist genau betrachtet ein Witz: Bei keiner Motorsportveranstaltung der Welt treten Turbo- und Saugmotoren mit dem gleichen Hubraum gegeneinander an. Die FIA selbst hat eine klar Umrechnungsformel zur Einstufung, demnach wird der Hubraum von Turbomotoren mit dem Faktor 1,7 multipliziert […]. Die Seat-Motoren dürften bestenfalls über 1175 cm³ verfügen.”
Erstmals seit dem Relaunch der Tourenwagen-Weltmeisterschaft 2005 stand in diesem Jahr bereits vor dem letzten Rennwochenende der Konstrukteurs-Titel fest. Auch den Fahrer-Titel wird definitiv ein Seat-Pilot holen, es steht nur noch nicht fest, ob es Yvan Muller oder Gabriele Tarquini werden wird.
Bis heute gibt es keine feste Zusage von BMW, auch 2009 an der WM teilzunehmen. Stattdessen fordert Dr. Mario Theissen baldige Reglementänderungen.